Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Nachlese & Videomitschnitt
Am 13. November 2023 lud die AG Globale Verantwortung gemeinsam mit Mitgliedsorganisationen zu einer Diskussion in Graz über die zentrale Bedeutung der Menschenrechte für nachhaltige Entwicklung. Der peruanische Menschenrechtsanwalt Javier Jahncke brachte dabei die Sichtweisen von Gemeinden in Peru ein, die vom Bergbau und seinen Folgen betroffen sind – auch wenn dieser Sektor von lateinamerikanischen Regierungen oft als Wirtschaftsmotor gesehen wird.
Auf die Frage nach der Bedeutung der Menschenrechte in Zeiten multipler Krisen vergegenwärtigte Sophie Veßel, dass Menschenrechte von benachteiligten und ausgegrenzten Menschen oft gerade in Krisenzeiten erkämpft wurden. Aus Krisen heraus entstehe auch heute Neues: So einigte sich der UN-Menschenrechtsrat vor dem Hintergrund der Klimakrise darauf, dass es ein Recht auf eine sichere, saubere und gesunde Umwelt gebe. In der EU entstehe ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichte, mehr Verantwortung für Menschenrechte zu übernehmen.
Allerdings, so fährt Sophie Veßel fort, stehen Menschenrechtsverteidiger*innen heute vor allem in Ländern mit repressiven Regierungen massiv unter Druck. Umso mehr gelte es, Menschenrechte einzufordern und mit Leben zu erfüllen, wie es bei der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz im Jahr 1993 geschah. Vor über 30 Jahren definierte die Staatengemeinschaft grundlegende Prinzipien der Menschenrechte – etwa, dass sie universell gelten –, und führte das Amt des Hochkommissars für Menschenrechte ein. Der derzeitige Hochkommissar Volker Türk poche immer wieder öffentlich auf die Einhaltung der Menschenrechte im Kontext kriegerischer Konflikte. Darüber hinaus bestätigte die Staatengemeinschaft im Jahr 1993, dass Menschen ein Recht auf Entwicklung haben. Dieses Recht sei für die Arbeit des österreichischen entwicklungspolitischen Dachverbands AG Globale Verantwortung von großer Bedeutung.
Der Menschenrechtsanwalt Javier Jahncke beleuchtete die Bedeutung der Menschenrechte anhand des Bergbaus in Peru. Dieser Sektor werde von lateinamerikanischen Regierungen oft als Wirtschaftsmotor gesehen, soll Devisen durch den Export mineralischer Rohstoffe bringen und Arbeitsplätze schaffen. Er zeigte anhand von Landkarten auf, dass die peruanische Zentralregierung Bergbaukonzessionen für einen beträchtlichen Teil des Landes vergibt. Davon seien besonders indigene Gemeinschaften betroffen, die 50% des Staatsgebiets bewohnen, von denen 35% für den Bergbau vorgesehen sind. Die Zentralregierung lasse die betroffenen Gemeinschaften aber nicht über die Bodenschätze mitentscheiden.
Javier Jahncke kritisierte, dass die Bewohner*innen vom Bergbau abhängig gemacht und keine wirtschaftlichen Alternativen ermöglicht werden. Sie leiden unter den ökologischen Auswirkungen des Bergbaus im Amazonas-Gebiet, zum Beispiel verschmutztem Wasser. Aber auch unter gesundheitlichen Auswirkungen, wie Vergiftungen von Kindern, sowie der Zunahme an sozialen Konflikten. Er rief dazu auf, das Wirtschaftsmodell, auf dem der Bergbau aufbaue, grundsätzlich zu hinterfragen.
Markus Meister, Geschäftsführer des Welthauses Graz, machte die Bedeutung der Menschenrechte für Entwicklung anhand der Arbeit seiner Organisation sichtbar. Sie unterstütze Partner*innen dabei, Menschenrechte, etwa das Recht auf Nahrung und das Recht auf Land, zu stärken. Zum Beispiel setze sich ihre Partnerorganisation in Tansania für die indigene Gemeinschaft der Maasai ein. Über 10.000 Maasai könnten infolge der Ausdehnung von Naturschutzgebieten durch die tansanische Regierung vertrieben werden. In den betroffenen Gebieten werden auch Krankenhäuser und Schulen geschlossen, wodurch weitere Menschenrechte eingeschränkt werden.
Das Welthaus Graz setze sich außerdem dafür ein, dass ein Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten so ausgestaltet werde, dass Menschenrechte nicht zu kurz kommen. Denn es könnte dazu führen, dass Bergbauprojekte weiter forciert und indigene Gemeinschaften gefährdet werden. Markus Meister plädierte generell dafür, in Zeiten multipler Krisen soziale und ökologische Fragen zusammenzudenken und gemeinsam zu lösen.
In der weiteren Debatte zeigte Sophie Veßel auf, wie die Mitgliedsorganisationen der AG Globale Verantwortung benachteiligte Menschen dabei unterstützen, zu ihrem Recht zu kommen, und wies auf die Verantwortung europäischer und österreichischer Politiken hin. So haben etwa die Versorgung der europäischen Industrie mit mineralischen Rohstoffen oder die Ausgestaltung eines europäischen Lieferkettengesetzes große Auswirkungen auf die Menschenrechte in Ländern des Globalen Südens.
Javier Jahncke betonte, dass es eine aktivere Teilhabe der Bevölkerung in Peru brauche, aber auch den Druck anderer Länder auf Unternehmen: Sorgfaltspflichten im Rahmen des EU-Lieferkettengesetzes würden beispielsweise unterstützen, dass Unternehmen ihre Verantwortung wahrnehmen. Für indigene Gemeinschaften sei außerdem die Perspektive der kollektiven Rechte wichtig, dass sie also gemeinsam über ihr Land bestimmen können. Markus Meister ging schließlich auf die Rolle der katholischen Kirche und anderer Glaubensgemeinschaften ein, die Position beziehen und Unrecht benennen müssten. Die Publikation Laudato Si` von Papst Franziskus sei dafür eine gute Grundlage, laut der es darum gehe, Fortschritt neu zu definieren. In diesem Sinne sei Entwicklung nur möglich, wenn sie Menschenrechte absichere.
Es folgte eine Diskussion mit den Gästen, die bei einem Buffet weitergeführt wurde.
Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen des Projekts Globale Stimmen für Menschenrechte und gemeinsam mit dem Welthaus Graz sowie der Dreikönigskation der Katholischen Jungschar statt. In Kooperation mit dem Projekt #Rohstoffwende der AG Rohstoffe, der Katholischen Frauenbewegung und dem Südwind Steiermark.