Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Bericht
Auch in diesem Jahr haben development finance und Oxfam zusammen den Commitment to Reducing Inequality Index (CRI) herausgegeben. Unter dem Titel „fighting inequality in the time of Covid-19“, arbeitet der Bericht heraus, dass nicht nur bestehende Ungleichheiten durch COVID-19 verstärkt werden, sondern, dass die Mehrheit der Länder der Welt auf die Coronavirus-Pandemie nicht vorbereitet waren. Dies sei vor allem auf die großen Ungleichheiten zurückzuführen und fehlenden Maßnahmen der Regierungen diese aktiv zu bekämpfen.
Der diesjährige Commitment to Reducing Inequality Index zeigt so, dass nur 26 der 158 Länder die von Oxfam und development finance empfohlenen 15% ihres Budgets in das Gesundheitssystem investieren. Auch im Bereich Arbeitsschutz sind gravierende Schwächen zu beobachten, so verfügt in 103 Ländern mindestens jeder dritte Erwerbstätige über keinen Arbeitsschutz oder ist bei Krankheiten beruflich nicht abgesichert. Darüberhinaus verfügen nur 53 Länder über Sozialschutzsysteme gegen Arbeitslosigkeit und Krankheit, dies deckt nur 22% der weltweiten Erwerbstätigen-Bevölkerung ab.
Das Versäumnis, die Ungleichheit zu bekämpfen, hat die meisten Länder weitaus anfälliger, sowohl für die gesundheitlichen als auch für die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie gemacht. Insbesondere die niedrigen Ausgaben für die öffentliche Gesundheitsfürsorge sowie die mangelnden Rechte der ArbeitnehmerInnen führten dazu, dass viele Länder unvorbereitet waren und die Folgen der Pandemie gravierend sind.
Auch die aktuellen Maßnahmen der Regierungen zur Bekämpfung der Corona-Krise sind für den Kampf gegen die Ungleichheit entscheidend. So können diese holistisch genutzt werden, um eben nicht nur die Pandemie zu bekämpfen, sondern gleichzeitig auch die herrschende Ungleichheit zu minimieren. Bereits zu sehen ist zum Beispiel, dass es überall auf der Welt eine erhebliche Ausweitung der Ausgaben für das Gesundheits- und Sozialsystem gab. Einige Länder, wie z.B. Südkorea, das im CRI-Index bereits eine hohe Punktzahl erzielte, haben die Krise frontal angepackt und Nothilfezahlungen für 22 Millionen Haushalte eingeführt. Georgien hat Gebühren für alle Gesundheitsausgaben im Zusammenhang mit COVID-19 gestrichen. Kenia hat mit einer Senkung der Körperschaftssteuer und des Spitzensatzes der Einkommenssteuer reagiert und Myanmar weitete sein Sozialsystem immens aus.
Die Analyse der oben genannten Sektoren, öffentliche Dienste (Gesundheit, Bildung, Sozialschutz), Besteuerung und ArbeitnehmerInnenrechte – Bereiche, die nachweislich in direktem Zusammenhang mit der Verringerung der Ungleichheit stehen, bilden die Grundlage des Berichts. Anhand von Messungen politischer Maßnahmen in diesen Sektoren wurde der Index 2020 erstellt.
Politische Maßnahmen und Investitionen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Sozialschutz, werden nach allgemeiner Auffassung eine enorme Macht zur Verringerung der Ungleichheit zugesprochen. Daher ist eine Analyse dieser Bereiche besonders wertvoll und führt zu spannenden Ergebnissen. So ist zu beobachten, dass viele Länder mit niedrigem und niedrigerem mittlerem Einkommen einen hohen Anteil ihres Budgets für Bildung aufwenden sowie ihre Ausgaben erhöhen, selbst wenn hohe Schulden das Staatsbudget einschränken. Im Gegensatz dazu zeigt der CRI-Index 2020, dass die Ausgaben in genau diesen Bereichen in Ländern mit höherem Einkommen stagnieren. Ebenfalls zu beobachten ist, Länder mit hohem Einkommen, aber auch einige Länder des oberen Mitteleinkommens, den Zugang zum Gesundheitssystem für eine breite Bevölkerung ermöglicht.
Der Bericht fasst zusammen, dass die 10 Länder, die in der Index-Rangliste an erster Stelle stehen, alle ihre öffentlichen Dienstleistungen zur Bekämpfung der Ungleichheit nutzen. Polen, als Ranglisten Erster in diesem Bereich, investiert so viel Geld in Sozialprogramme, der Bekämpfung von Armut und in den öffentlichen Dienst, wie das Land gesamt einnimmt. Andere Länder erreichen vieles, auch mit vergleichsweise weniger Einkommen. Die Ukraine steht zum Beispiel an der Spitze der Gruppe mit niedrigem bis mittlerem Einkommen: Die politischen Maßnahmen und Investitionen in die öffentlichen Dienstleistungen haben das verfügbare Einkommen der Ärmsten nachweislich verdoppelt, gleichzeitig ist das Gesundheitssystem des Landes jedoch ausbaufähig.
Die Wirkung von politischen Maßnahmen im öffentlichen Dienst ist jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich, da diese von dem Ausmaß der Umverteilung, der Größe, sowie von der Progressivität abhängt. Dementsprechend zeigen Politiken derjenigen Länder, die zu wenig investieren und umverteilen, deutlich geringere Wirkungen in der Bekämpfung von Ungleichheit.
Progressive Besteuerung wird als eine entscheidende Maßnahme angesehen, die Regierungen ergreifen können, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Der Bericht widmet sich verschiedenen Steuerbereichen, von Einkommens-, Unternehmens- bis hin zu Vermögenssteuern und untersucht jene auf ihre Auswirkungen zur Reduzierung von Ungleichheit. So zeigt der Bericht, dass die Länder mit der progressivsten Steuerpolitik zunehmend einkommensschwächere Länder sind. Einkommensstarke Nationen haben im Gegensatz dazu die Besteuerung der vermögendsten Personen und Unternehmen in den letzten Jahrzehnten systematisch reduziert.
So ergibt sich folgendes Ergebnis: Südafrika steht an der Spitze des Steuerbereiches des CRI-Index für das Jahr 2020. Das Land besitzt ein, auf dem Papier, relativ progressives Steuersystem und eine gute Bilanz bei der Steuererhebung. Zusammengenommen ergibt dies ein Steuersystem, welches die Ungleichheit effizient verringern kann. Es gibt jedoch noch viel mehr, was das Land tun könnte, um sein System noch progressiver zu gestalten, wie z.B. mehr Steuern zu erheben, u.a. die Einführung einer Vermögenssteuer. Das Land mit dem besten Ergebnis bei den einkommensschwachen Ländern ist Togo, das auf dem Papier das zweit-progressivste Steuersystem der Welt hat, aber durch eine schwache Steuereinziehung geschwächt wird. Zusammenfassend ist zu sehen, dass Länder mit den progressivsten Einkommenssteuern, Länder mit niedrigem oder niedrigem mittleren Einkommen sind, angeführt von Togo, der Zentralafrikanischen Republik und Pakistan.
Für die Analyse des Bereichs ArbeitnehmerInnenrechte untersuchte der CRI-Bericht die Achtung der Gewerkschaften, den Rechtsschutz für ArbeitnehmerInnen, Mindestlöhne, Arbeitslosenniveau, vulnerable und informelle Beschäftigung sowie Ungleichheiten des Arbeitsmarktes. Aus der Untersuchung dieser Faktoren ergibt sich folgendes Bild: Die zehn führenden Nationen im Bereich Arbeit sind allesamt europäische mit hohem Einkommen. Zu den Ländern mit den höchsten Werten bei den niedrigen und unteren mittleren Einkommen gehört Bolivien, das bis 2019 für seine fortschrittliche Arbeitspolitik und lebendige Arbeiterbewegung bekannt war. Am anderen Ende der Rangliste sind vor allem Länder mit niedrigem oder niedrigerem mittlerem Einkommen in Afrika zu finden. Indien, das über ein schwaches Arbeitsrechte und an einer hohen Zahl vulnerablen und informellen Beschäftigungsverhältnisse verfügt, liegt auf Platz acht der untersten Plätze.
Der Bericht Commitment to Reducing Inequality Index (CRI) endet mit einem Appell der AutorInnen an die verschiedenen Regierungen, dass es gerade jetzt dringende Maßnahmen zur Verringerung der Ungleichheit benötigt. Vor allem die Unterstützung und Verbesserung des öffentlichen Dienstes, des Gesundheits- und Sozialsystems, aber auch die progressive Besteuerung und der Schutz der ArbeitnehmerInnen ist in Zeiten der Pandemie besonders wichtig. So müssen sich auch die Reaktion auf die COVID-19-Pandemie in die nationalen Pläne zur Verringerung der Ungleichheit gemäß SDG 10 einreihen.
Darüber hinaus sollten Regierungen, internationale Institutionen und andere Interessensgruppen zusammenarbeiten, um die Daten über Ungleichheit und damit zusammenhängende Politiken schnell und nachhaltig zu verbessern. Dazu gehört eine regelmäßige Analyse, Überwachung und Verbesserung der Messungsmethoden und der Daten im Allgemeinen. Der Bericht betont vor allem die Verbesserung der Daten zu den Auswirkungen der Ausgaben in Bildung, Gesundheit und das Sozialsystem auf die Reduktion von Ungleichheit.
Als dritte Empfehlung plädieren die AutorInnen für ein kooperatives Zusammenarbeiten, um Ungleichheiten zu bekämpfen. Um zu verhindern, dass die Regierungen der Welt auf die aktuelle Krise auch mit Sparmaßnahmen und Kürzungen im öffentlichen Dienst reagieren, wie nach der Finanzkrise 2008, muss die internationale Gemeinschaft ihre Solidarität stärken. Es benötigt eine umfangreiche Neuausrichtung und Umstrukturierung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und seiner Instrumente. Schuldenstopp und Schuldenerlass und die Einführung einer Art Solidaritätssteuer auf Vermögen und Einkommen, von denen ein Teil der Erlöse an Länder mit niedrigerem Einkommen geht, werden von dem Bericht als konkrete Vorschläge zur Krisenbekämpfung vorgebracht.
(ge)