Europäische Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) & GAP 2020

Nicht nur werden in der GAP EU-weit geltende Regeln für die Landwirtschaft definiert, sondern auch die Höhe und Konditionen der verschiedenen Förderungen des Agrarsektors festgesetzt. Diese Subventionen für den landwirtschaftlichen Bereich und das GAP im Allgemeinen nehmen innerhalb der EU einen sehr hohen Stellenwert ein. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich das Gesamtbudget der EU anschaut: Hier stellt die GAP mit rund 40% des gesamten EU-Haushalts den zweitgrößten Posten dar. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Verhandlungen über zwei Jahre dauerten und hart umkämpft waren. Neben diesen hohen Summen stellen die Konditionen und Regeln, an welche die Subventionen gekoppelt sind, das Zentrum der Verhandlungen dar. Insbesondere die flächenabhängige Förderung, also die Bindung der Höhe der Förderungen an die Größe der bewirtschafteten Agrarfläche und damit die Logik „mehr Geld für viel Fläche“, ist dabei heiß umkämpft.
               
Mit der diesjährigen GAP-Reform sollen genau dieser Punkt angegangen und ein Versuch gestartet werden, den europäischen Landwirtschaftssektor klima- und umweltfreundlich zu gestalten. So wurde für die 1. Säule der GAP, die Direktzahlungen an die LandwirtInnen, die bis jetzt nach dem oben erwähnten Prinzip der Größe der bewirtschafteten Fläche funktionierten, folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

  • 20% der Direktzahlungen werden sogenannten eco-schemes gewidmet. Dieses Geld wird nur ausgegeben, wenn LandwirtInnen die Umweltvorgaben für diese Direktzahlungen erfüllen. Diese finanzielle Unterstützung dient als Anreiz, ist aber für LandwirtInnen generell freiwillig. (Das EU-Parlament fordert, dass 30% der Direktzahlungen eco-schemes gewidmet werden)
  • Darüber hinaus wurde eine zweijährige „Lernphase“ beschlossen, in welcher die für Umweltprogramme reservierten Mittel auch anders zugänglich sind.
  •  Freiwillig und den einzelnen EU-Mitgliedstaaten überlassen bleibt dabei das sogenannte Capping, also die Festsetzung einer Obergrenze für die Direktförderungen pro Betrieb.

Reaktionen auf den Kompromiss

Doch diese vorgeschlagenen Maßnahmen blieben weit hinter den Erwartungen von vielen Klima- und UmweltschützerInnen. Nicht ausreichende Klimaauflagen, ein mangelnder Schutz der Biodiversität und Greenwashing sind nur einige Kritikpunkte, die von z.B. Greenpeace, WWF, FridaysForFuture oder dem Umweltdachverband hervorgebracht werden. Insbesondere die an Umwelt- und Klimaauflagen gekoppelten 20% der Direktzahlungen werden als deutlich zu niedrig angesehen. Zudem wird das Fehlen von verpflichtenden Umwelt- und Klimastandards angeprangert. Die aktuelle Kritik an der GAP-Reform fokussiert sich aktuell vor allem auf das Themengebiet Ökologie, Klima- und Umweltschutz. Ausgeblendet wird dabei in der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch im GAP selber, zumeist die globale Dimension, die die GAP und auch die aktuelle Reform besitzt.

Die Auswirkungen der GAP auf die Länder des Globalen Südens

Die EU ist, bezogen auf Produktion, Importe und Exporte im Agrarsektor, eine Supermacht. Dank der engen Handelsbeziehungen mit Ländern des Globalen Südens ist sie auf der einen Seite einer der wichtigsten Importeure von Agrarprodukten wie Soja, Palmöl oder tropischen Früchten. Auf der anderen Seite ist die EU ebenso einer der größten Exporteure von Agrarerzeugnissen, insbesondere von Fleisch- und Milchprodukten. Dementsprechend kann jede Änderung der GAP erheblichen Einfluss nicht nur auf den Binnenmarkt, sondern auch auf die internationalen Märkte für Agrarprodukte haben.
Eine besondere Stellung nehmen dabei die Billigexporte in die Länder des Globalen Südens ein. Europäische Produktionsüberschüsse, die durch die Gemeinsame Agrar- und Subventionspolitik entstehen können, werden häufig für einen sehr niedrigen Preis in Länder des Globalen Südens exportiert. Dadurch ist in den letzten Jahren ein ungleicher Wettbewerb entstanden: Die lokalen ProduzentInnen können nicht mit dem niedrigen Preis der Importe konkurrieren. Insbesondere der Milchmarkt ist von dieser Entwicklung betroffen, was die ländliche Entwicklung in z.B. manchen afrikanischen Ländern erheblich erschwert. So fordert CONCORD im CONCORD Aidwatch 2020, dass die GAP neu ausgerichtet und mit der UN-Agenda 2030 in Einklang gebracht werden müsste. Ein entscheidender Schritt für CONCORD wäre dabei die Transformation hin zu einem ökologischen, nachhaltigen Agrarsystem, um wirksam auf die Herausforderungen des Klimaschutzes und des Biodiversitätsverlusts zu reagieren. Folgt man der Argumentation der Klima- und UmweltschützerInnen, werden die von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen – zum Beispiel der Prozentsatz der Direktzahlungen, der an Umwelt- und Klimavorgaben gekoppelt ist – den Beitrag der Landwirtschaft der EU zur Klimakrise jedoch nur gering reduzieren. Darüber hinaus müsste laut CONCORD die Reform von Maßnahmen begleitet werden, die dazu beitragen, die Produktions- und Exportstandards weltweit zu verbessern. So sollen die Externalisierung und der Export nicht nachhaltiger Praktiken vermieden und somit das Agrarsystem der EU auch global verantwortlich gestaltet werden. Hierfür gilt es auch weiterhin zu betonen, dass die Agrarpolitik der EU im Sinne einer verstärkten Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung (PCSD) die Ziele der Entwicklungspolitik unterstützen und so zu einem guten Leben für alle Menschen weltweit beitragen muss. Entwicklungspolitische Ziele sollen nicht von anderen Politikfeldern, wie eben der Agrarpolitik, untergraben werden, vielmehr sollten sie diese nach Möglichkeiten unterstützen. Die AG Landwirtschaft und Entwicklung, in der Mitgliedsorganisationen der AG Globale Verantwortung zusammenarbeiten, formulierte 2017 Empfehlungen an die LandwirtschaftsministerInnen und die Kommission der EU, die somit auch weiterhin gültig sind:  

  • Die EU sollte umfassende soziale, menschenrechtliche und ökologische Kriterien für agrarpolitische Maßnahmen der EU (z.B. Subventionen oder Marktliberalisierungen) erstellen, damit beispielsweise Agrarexporte die lokale Produktion in den Ländern des globalen Südens nicht gefährden.
  • Die EU sollte dafür sorgen, dass die Tierproduktion an die verfügbaren Flächen in Europa angepasst und die dafür benötigten Futtermittel in der EU erzeugt werden. Das würde den Flächenbedarf für Soja vor allem in Lateinamerika reduzieren und somit eine Ursache für Land Grabbing beseitigen.
  • Die EU sollte einen Überwachungsmechanismen zum Monitoring von Auswirkungen der EU-Agrarpolitik auf die Länder des globalen Südens etablieren (GAP-Folgewirkungsabschätzung).

Links:

AG Globale Verantwortung 2017: Die Unfaire Milch – Agrar- und Entwicklungspolitik im Widerspruch?

AG Landwirtschaft und Entwicklung: Argumentationspapier: Landwirtschaft und Entwicklung

CONCORD recommendations on CAP and PCD Common Agricultural Policy reform proposal 2020-2027

CONCORD AidWatch 2020

Ergänzt am 12.11.: ÖBV Via Campesina: GAP Reform: Es geht um ein ganzes Jahrzehnt!

(ge)