Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Nachlese
Die diesjährige 16-tätige UNO-Kampagne anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung der Gewalt an Frauen vom 25. November bis 10. Dezember hat gewaltsame und geschlechtsbezogene Übergriffe einmal mehr in die Wahrnehmung der Menschen gerückt. Die COVID-19-Pandemie schwächte viele Errungenschaften der letzten Jahre, deutlich mehr Frauen waren 2020 Gewalt ausgesetzt
Die meisten Aktions- und Gedenktage der Vereinten Nationen haben eines gemein: Sie verlieren ihre Daseinsberechtigung, sollten ihre Forderungen endlich umgesetzt sein. 2020 hat gezeigt: Die Umsetzung der Ziele des Internationalen Tages zur Beseitigung der Gewalt an Frauen und Mädchen liegt in weiter Ferne. Die verhängten Lockdowns zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie hatten eine sogenannte „Schattenpandemie“ zur Folge, weltweit meldeten Hilfsorganisationen, Ombudsstellen und Medien einen rasanten Anstieg häuslicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Im letzten Jahr wurden etwa 137 Frauen täglich von ihrem Partner oder einem Familienmitglied getötet, 18 % erlebten körperliche oder sexuelle Gewalt.1 Laut den Vereinten Nationen widerfährt weltweit jeder dritten mindestens einmal in ihrem Leben ein gewaltsamer, geschlechtsbezogener Übergriff.2
Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind ebenso enorm: Frauen sind in einem höheren Ausmaß auf informelle Arbeit angewiesen, um sich und ihre Familien zu versorgen. So arbeiten etwa 80 % aller Uganderinnen bspw. als Straßenverkäuferin oder Haushälterin.3 Während der verschärften Ausgangsbeschränkungen fallen diese Einnahmequellen weg.
Die Beseitigung von Gewalt kann nur gelingen, wenn Frauen und Mädchen auf allen Ebenen gleichberechtigt sind – ein Vorhaben, das auch in wohlhabenden Staaten auf Widerstand stößt. Im Rahmen der staatenübergreifenden Agenda 2030 erklärten die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen im September 2015 die Gleichberechtigung und Ermächtigung von Frauen und Mädchen zu einem von 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz SDGs). Das ihnen gewidmete Ziel 5 umfasst:4
Die Weltbank dokumentierte zwischen 2017 und 2019 in 62 Staaten die Einführung von Reformen zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit, darunter Indien, Pakistan, Burkina Faso, Uganda und Südsudan. Somit gibt es heute in mindestens 155 Ländern Gesetze gegen häusliche Gewalt, in 140 Ländern gilt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als Straftat. Der resultierende Bericht „Women, Business and the Law 2020“,5 der dieses Jahr erschienen ist, macht aber auch auf Rückschläge aufmerksam: In Moldavien, Bosnien-Herzegowina, Westbank und Gaza haben Pensionsreformen zu einer Benachteiligung von Frauen geführt.
Anstoß für den Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt an Frauen gab die Ermordung dreier politischer Aktivistinnen, den Mirabal Schwestern in der Dominikanischen Republik, durch Diktator Rafael Trujillo am 25. November 1960. Ausgehend von Lateinamerika gedenken feministische und Menschenrechtsorganisationen seit 1981 den weiblichen Opfern häuslicher und politischer Gewalt. Im Jahr 1999 nahmen die Vereinten Nationen den Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt an Frauen in ihren Kalender der internationalen Aktions- und Gedenktage auf.6
2016 folgte mit Orange eine eigene Kampagnenfarbe, die eine Zukunft ohne Gewalt gegen Frauen und Mädchen zum Ausdruck bringen soll. Schließlich erweiterten die Vereinten Nationen den 25. November in diesem Jahr zu einer 16-tägigen Kampagne, um den prekären Lebensweisen vieler Frauen – insbesondere in Zeiten der Pandemie – zusätzliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Zivilgesellschaftliche Organisationen veranstalteten Diskussionen und Events, Persönlichkeiten aus aller Welt bekannten sich zum Ziel 5 der SGDs und öffentliche Gebäude, Social-Media-Kanäle und Websites erstrahlten in Orange. Die Vereinten Nationen haben ein Best-Of-Fotoalbum zusammengestellt.
Auch die AG Globale Verantwortung unterstützte die Aktion #OrangeTheWorld. Wir sind davon überzeugt, dass zusätzliche internationale Programme und Projekte, die nicht nur Frauen schützen, sondern Männer in die Verantwortung nehmen, einen Ausweg aus Benachteiligung und Gewalt bieten. Veraltete Vorstellungen setzen Männlichkeit mit Macht sowie mit körperlicher und geistiger Stärke gleich, während sie Frauen ebenso wie queere Personen abwerten. Holen wir das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen vor den Vorhang und setzen uns gemeinsam gegen Gewalt von Männern und unzeitgemäße Vorstellungen von Geschlecht ein.
1 UN Women (2020): Facts and figures: Ending violence against women.
2 United Nations (2020): The Shadow Pandemic
3 Womankind (2020): How is COVID-19 affecting women and girls?
4 United Nations (o.D.): Goal 5: Achieve gender equality and empower all women and girls
5 Weltbank-Bericht (o.D.): Women, Business and the Law 2020
6 United Nations (o.D.): Taking a Stand Against Gender-Based Violence
(hh)