Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Nachlese
Möglichst vielen unterschiedlichen Stimmen aus der Gesellschaft eine Diskussion über eine gute Zukunft für alle zu ermöglichen und dabei Soziales, Umwelt und Wirtschaft zusammenzudenken war das Ziel des ersten regionalen SDG Dialogforums am 13. November im Kärntner Ort Mallnitz. Diese gekürzte Nachlese hebt die Ergebnisse, die insbesondere für die Entwicklungspolitik relevant sind, hervor.
Was braucht es, um eine lebenswerte Zukunft in einer gesunden Umwelt zu schaffen? Wie kann Nachhaltigkeitspolitik verschiedenste Lebensrealitäten berücksichtigen und den Anliegen junger Menschen gerecht werden? Wie können Gemeinden und Städte einen Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen leisten?
Diesen und vielen weiteren Fragen stellten sich die knapp 100 Teilnehmenden beim SDG Dialogforum Kärnten in Mallnitz, das am 13.11.2024 eine vielfältige Auswahl an Diskussionsformaten und Themen bot. Die Veranstaltung wurde von SDG Watch Austria in Kooperation mit dem Land Kärnten, dem Nationalpark Hohe Tauern Kärnten und vielen weiteren Partner:innen organisiert und aus Mitteln der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit gefördert.
Anlässlich der Verankerung der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) im Kärntner Regierungsprogramm lag es nahe, das Format der erfolgreichen SDG Dialogforen auf Bundesebene weiterzuentwickeln und regionale Akteur:innen vor den Vorhang zu holen. Das Ziel des SDG Dialogforums Kärnten war es, Diskussionen über eine gute Zukunft für alle mit möglichst vielen unterschiedlichen Stimmen aus der Gesellschaft zu ermöglichen und dabei Soziales, Umwelt und Wirtschaft zusammenzudenken. Ein besonderer Fokus lag darauf, Perspektiven junger Menschen und aus Ländern des Globalen Südens einzubinden.
Nach einer Eröffnung durch Landesrätin Sara Schaar, Botschafter Peter Huber (Leiter der Sektion Entwicklung im BMEIA), Bernhard Zlanabitnig (Steuerungsgruppe von SDG Watch Austria) und Barbara Pucker (Direktorin Nationalpark Hohe Tauern Kärnten), richtete das Publikum seine Aufmerksamkeit auf die Schülerin Elisabeth Stroh und die Studentin Benedicta Opis. Denn diese präsentierten die Ergebnisse des Rebels of Change Jugendforums, das im Mai 2024 mit rund 100 Teilnehmenden stattgefunden hatte. Benedicta und Elisabeth luden die Gäste ein, sich mit ihren Sitznachbar*innen über globale Herausforderungen wie die Wahrung von Menschenrechten entlang von Lieferketten, Klimaschutz u.v.m. zu unterhalten und sich auf ihre Vision für eine gute Zukunft einzulassen. Das Manifest des Rebels of Change Jugendforums kann hier nachgelesen werden.
Die anschließenden Workshops und Diskussionen, die in vier unterschiedlichen Räumen gleichzeitig stattfanden, zeigten nicht nur, wie vielfältig nachhaltige Entwicklung ist, sondern auch das bereits große Engagement in Kärnten und darüber hinaus: Die einzelnen Programmpunkte waren durch die Zusammenarbeit zwischen der Kärntner Verwaltung, gemeinnützigen Organisationen, der Wissenschaft und vielen weiteren Partner*innen entstanden.
Für die Konzeption wurde das Eventteam zudem von jungen Menschen unter 25 Jahren aus Kärnten und Wien beraten, wodurch auch Ideen für den Workshop Junge Stimmen für eine (Arbeits-)welt der Zukunft erarbeitet wurden. Ziel dieses sogenannten Youth Sounding Boards war es, die Anliegen junger Menschen besser im Programm des Dialogforums abzubilden und die Inhalte verständlicher zu gestalten.
Hosted by: Dreikönigsaktion, Umweltreferat der katholischen Kirche, Land Kärnten
In diesem Workshop beschäftigten sich die Teilnehmenden anhand der Lieferkette von Kakao mit dem Thema der nachhaltigen Beschaffung und der Frage, wie Kinderarbeit verhindert werden kann. Die Teilnehmenden erfuhren, dass schlechte Arbeitsbedingungen oder Umweltschäden oft Teil von Produktionswegen sind und dass ganz besonders Europa aufgrund seines hohen Konsumverhaltens große Verantwortung für faire Bedingungen in der Lieferkette trägt. Verschiedene Qualitätssiegel und -merkmale, die für eine faire und umweltschonende Produktion stehen, wurden diskutiert und bezüglich ihre Vertrauenswürdigkeit hinterfragt.
Darüber hinaus erarbeiteten die Teilnehmenden verschiedene Möglichkeiten, wie sie Verantwortung in der Lieferkette übernehmen können. Die Ergebnisse waren u. a.: bewusster zu konsumieren, auf regionale und saisonale Produkte zu achten, zum Teil auch Konsumverzicht von nicht fairen und umweltfreundlichen Produkten, positive Bilder und Vorbilder zu schaffen, sich politisch und zivilgesellschaftlich einzubringen (z.B. über die Initiative Kinderarbeit Stoppen der Dreikönigsaktion) und wiederverwendbare statt Wegwerfprodukte zu nutzen. Als wesentlich wurde besonders der Faktor Bildung erachtet – sowohl für Einzelpersonen als auch für Unternehmen und für die Gemeinde-, Länder und Bundesebene.
Der gesamte Workshop und die Diskussionen verdeutlichten, dass sowohl viel Wissen über die Auswirkungen unseres Konsumverhaltens als auch das Bewusstsein über die Tragweite unserer Lieferkettenverantwortung noch immer fehlen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass der Druck für eine faire Lieferkette nicht allein bei den Endkonsument*innen liegen dürfe. Es brauche darüber hinaus die Etablierung und Verankerung des in der EU bereits beschlossenen Lieferkettengesetzes in Österreich und klare Umsetzungsmaßnahmen in Kärnten, damit nachhaltig faire Bedingungen für Mensch, Tier und Umwelt erreicht werden können.
Speaker*innen:
Die Ergebnisse der drei weiteren Workshops könnt Ihr auf www.sdgwatch.at nachlesen.
Nach dem Mittagessen diskutierten ein hochrangiges Podium gemeinsam mit Moderator Joschi Peharz über die Ergebnisse der Vormittagssessions. Dabei bewegte sich die Diskussion zwischen so vielfältigen Themen wie Kinderarmut, Klimaschutz, Entwicklungszusammenarbeit, Mobilität und der Einbindung der Zivilgesellschaft in Kärnten. Die Diskussion verdeutlichte einmal mehr, weshalb wir soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte nicht nur isoliert betrachten können, sondern sie auch in einem größeren Zusammenhang sehen sollten, um gute Lösungen für die Zukunft zu finden.
So erklärte Landeshauptmann Peter Kaiser u.a., weshalb und wie seine Regierung sich an den UN-Nachhaltigkeitszielen orientiert: “Wir haben versucht, ein Regierungsprogramm zu erstellen, das konkrete Maßnahmen herausfordert, 316 an der Zahl, die wir (…) mit einem digitalisierten Programm auf ihren jeweiligen Umsetzungsgrad überprüfen”. Das soll es ermöglichen, der Politik “einen Spiegel vorzuhalten”. Man müsse regional und lokal auch den Mut und die Anstrengung auf sich nehmen, nach eigenen Wegen zu finden, die Sustainable Development Goals umzusetzen, so Kaiser.
Gleichzeitig wurde deutlich, dass nachhaltige Entwicklung aus Kärnten heraus auch im überregionalen und globalen Kontext eine Rolle spielt, nicht nur durch Zusammenarbeit in konkreten Projekten im Ausland, sondern auch durch das Übernehmen von Verantwortung, z.B. durch Klimaschutzmaßnahmen, nachhaltige Beschaffung u.v.m. Bettina Zangl-Jagiello von der Caritas Auslandshilfe Kärnten erklärte z. B., dass aktuell Menschen in ihren Projektländern die Auswirkungen des Klimawandels deutlich zu spüren bekommen würden. Sie meinte auch, man könne noch viel mehr in der Entwicklungszusammenarbeit tun, damit Projekte aus Kärnten noch mehr bewegen können. “Ich sehe das hier als Anlass noch mehr auf andere Netzwerkpartner in Kärnten zuzugehen und auch gemeinsam zu denken, wie wir unsere Arbeit im Globalen Süden verstärken und noch bewusster in Kärnten machen können”, fügte Sie an.
Lena Rauter, CliMates Austria, erklärte, dass internationale Zusammenhänge durchaus auch in Kärnten relevant sind, nicht zuletzt erkennbar durch Hochwasser und andere Naturereignisse. Aber auch, dass “auch ein Bundesland, das so klein ist wie Kärnten, große Auswirkungen auf nationale, aber auch internationale Prozesse haben kann.” Sie erklärte außerdem, dass die Einbindung von u.a. Jugendlichen und NGOs in Umsetzungsprozesse besonders wichtig sei.
Alle Gäste zeigten sich einig darüber, dass der Dialog mit Stakeholdern, wie er beim SDG Dialogforum stattfand, wichtig für gute Zukunftslösungen ist. “Das ist das erste Mal, dass so eine Veranstaltung regional durchgeführt wird. Das heißt, Kärnten versteht seine Rolle”, erklärte beispielsweise Oke Anyanwu, Experte für transformative Bildung, der selbst in Kärnten lebt.
Bildung für nachhaltige Entwicklung wurde von den Podiumsgästen nicht zuletzt als wichtiger Faktor identifiziert, um globale Zusammenhänge zu verstehen, Verantwortung zu übernehmen und positive Veränderungen voranzutreiben. Diese Veränderungen müssten jedoch gemeinsam mit der Bevölkerung passieren und Einbindung ermöglichen. “Botschaften und Informationen müssen zielgruppengerecht aufbereitet und in die Gesellschaft hineingetragen werden, damit die Bürger:innen verstehen können, was die Regierung macht”, erklärte der Bildungsexperte.
Am Nachmittag fanden erneut parallele Workshops, Vorträge und Diskussionen statt, die sich mit der Umsetzung der Agenda 2030 auf lokaler Ebene, dem Verstehen und Erleben des Klimawandels und Bildung für nachhaltige Entwicklung befassten:
Hosted by: Südwind, Alpen-Adria-Universität KlagenfurtModeration: Susanne Loher, Stefanie Preiml
Der Workshop stellte die Frage, wie Bildung „transformativ“ werden kann, also die Gesellschaft positiv verändern und ein Lernen für die Zukunft ermöglichen kann. Stefanie Preiml von der Universität Klagenfurt gab dafür einen kurzen Überblick über die Optionen, die das Forschungsprojekt UniNEtZ als Handlungsempfehlungen für das Bildungssystem aus wissenschaftlicher Perspektive erarbeitet hat. Hans-Karl Peterlini skizzierte wesentliche Ansätze in einer kurzen Videobotschaft und Susanne Loher gab einen knappen Überblick über konkrete Bildungsangebote, um transformative Bildung in Kärnten zu stärken.
In der Diskussion gab es reges Interesse für die konkreten anschaulichen Angebote am Beispiel der nachhaltigen Ernährung und ein angeregtes Brainstorming zu den Gelingensbedingungen. Die Schlussfolgerungen der Teilnehmenden:
Die Ergebnisse der zwei weiteren Nachmittag-Workshops könnt Ihr auf www.sdgwatch.at nachlesen.
Autorin: Caroline Krecké, Koordinatorin von SDG Watch Austria und Mitarbeiterin von ÖKOBÜRO