Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Bericht
Im April 2013 starben mehr als 1.100 Menschen beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, über 2.000 Menschen wurden verletzt. Damit solche Katastrophen in Zukunft verhindert werden, sollten Gesetze dafür sorgen, dass international tätige Unternehmen in ihren globalen Lieferketten Menschenrechte und Umweltstandards einhalten. Lieferkettengesetze könnten auch entscheidend dazu beitragen, Armut zu reduzieren und eine nachhaltige Entwicklung gemäß der Agenda 2030 und der 17 Ziele für nachhaltigen Entwicklung zu ermöglichen.
Die ArbeiterInnen der Textilfabrik Rana Plaza produzierten für den internationalen Markt und waren trotz Hinweise auf Risse im Gebäude gezwungen worden weiterzuarbeiten. Erst nach zwei Jahren erhielten die Familien der Opfer sowie ArbeiterInnen, die aufgrund ihrer Verletzungen nicht mehr arbeiten konnten, Entschädigungen aus einem Fonds aus freiwilligen Beiträgen involvierter globaler Textilkonzerne. Diese Entschädigungen waren jedoch äußerst gering und reichten bei den Überlebenden – wenn überhaupt – gerade aus, um ihre direkten medizinischen Behandlungskosten zu decken.
Es sollte alles getan werden, um solche Katastrophen zu verhindern und Betroffenen in Zukunft eine angemessene Entschädigung zu ermöglichen. Doch auch acht Jahre nach der Katastrophe von Rana Plaza gibt es international keine verbindlichen Gesetze, die die globalen Aktivitäten von Unternehmen, vor allem transnationalen Konzernen, mit Blick auf die Menschenrechte regulieren und dafür sorgen, dass diese Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen. In den Vereinten Nationen verhandelt die internationale Staatengemeinschaft bereits seit 2015 über ein Abkommen über Wirtschaft und Menschenrechte, doch viele Staaten des Globalen Nordens bremsen. Es gibt zwar zahlreiche freiwillige Standards und Leitlinien, die durchaus einen wichtigen Beitrag leisten, sie reichen aber nicht aus: Denn weiterhin herrschen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der Textilbranche, weiterhin stapeln sich Schokoladeprodukte aus Kinderarbeit in Österreichs Verkaufsregalen, weiterhin sind in unseren Handys Metalle enthalten, die in der Demokratischen Republik Kongo unter Lebensgefahr abgebaut werden. Eine 2020 im Auftrag der EU-Kommission erstellte Studie fand außerdem heraus, dass nur jedes dritte europäische Unternehmen seine Lieferketten sorgfältig mit Blick auf Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt prüft.
Doch es ist Bewegung in die Debatte gekommen: Inzwischen gibt es Lieferkettengesetze in Frankreich und den Niederlanden. In Deutschland liegt ein Entwurf für ein Lieferkettengesetz vor, das ab 2023 gelten soll. Im europäischen Parlament haben sich die Abgeordneten mit einer soliden Mehrheit für ein europäisches Lieferkettengesetz ausgesprochen, im Juni wird ein erster Entwurf der EU-Kommission erwartet.
Ein zivilgesellschaftliches Bündnis, an dem sich die AG Globale Verantwortung beteiligt, fordert mit der Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetze! Damit Lieferketten nicht verletzen!” und einer Petition auch die österreichische Regierung dazu auf, ein Lieferkettengesetz zu verabschieden und sich engagiert in die Verhandlungen in der EU und der UN einzubringen. Eine Debatte im österreichischen Parlament über einen Antrag der Opposition zu einem solchen Gesetz wurde vertagt.
Wie Lieferkettengesetze konkret aussehen sollen, wird bereits intensiv diskutiert. Grundsätzlich sollten solche Gesetze Verpflichtungen für Unternehmen enthalten, die Risiken in ihrer Lieferkette zu prüfen und effektiv zu vermeiden oder gegebenenfalls zu beseitigen. Im Fall von bereits entstandenem Schaden gilt es, eine sogenannte Wiedergutmachung durch beispielsweise Entschädigungen sicherzustellen. Im Zentrum der Debatte stehen zum Beispiel Fragen, wie viele Schritte der Lieferkette solche Verpflichtungen betreffen, ob Pflichten zwischen größeren und kleineren Unternehmen differenziert werden sollen und ob eine zivilrechtliche Haftung gelten soll, die Entschädigungen für Betroffene ermöglicht.
Die AG Globale Verantwortung setzt sich für ein Lieferkettengesetz ein, das dafür sorgt, dass international agierende Unternehmen Menschenrechte und Umweltstandards während aller Produktionsschritte sowie entlang ihrer Lieferketten einhalten und das darüber hinaus eine zivilrechtliche Haftung beinhaltet.
Wichtig ist, dass ein Lieferkettengesetz auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene am Ende in den Ländern, in denen Rohstoffe abgebaut und Produkte hergestellt werden, die Rechte der betroffenen Menschen und die Umwelt schützt und greifbare Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen bringt.
Denn wenn durch Lieferkettengesetze menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Löhne gefördert, die Gesundheit von ArbeiterInnen geschützt, sexuelle Übergriffe durch Vorgesetzte und die Verschmutzung des Grundwassers verhindert werden können, dann tragen diese Gesetze dazu bei, die Armut in den Ländern des Globalen Südens zu reduzieren und eine nachhaltige Entwicklung weltweit zu ermöglichen.
(sv)
Hinweise:
Die AG Globale Verantwortung unterstützt die Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetze! Damit Lieferketten nicht verletzen!”, die in einer aktuellen Petition an die österreichische Regierung ein Lieferkettengesetz in Österreich und auf EU-Ebene sowie den Einsatz für ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten fordert.
Fotoaktion und Presseaussendung der Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetze! Damit Lieferketten nicht verletzen!” zum achten Jahrestag des Einsturzes der Textilfabrik Rana Plaza im April 2021