Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Bericht
Der Europäische Nachhaltigkeitsbericht 2023/2024 beschreibt entlang welcher Prioritäten die EU und ihre Mitgliedsstaaten ökologische und soziale Kipp-Punkte vermeiden und das Versprechen, die Agenda 2030 umzusetzen, aufrechterhalten können. Mehr als 200 Expert*innen veröffentlichten einen begleitenden Call for Action.
Die fünfte Ausgabe des Europe Sustainable Development Reports mit Untertitel European Elections, Europe’s Future and the Sustainable Development Goals zeigt, dass die EU, ihre Mitgliedstaaten und die EU-Partnerländer bei gleichbleibendem Tempo voraussichtlich ein Drittel der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) bis 2030 nicht erreichen wird, wobei es große Unterschiede zwischen den europäischen Ländern gibt. Besonders besorgniserregend seien soziale und ökologische Kipppunkte, die kritische Veränderungen in sozialen Systemen und abrupte, schwer rückgängig zu machende Umweltveränderungen mit weitreichenden Auswirkungen auf Gesellschaften und Ökosysteme beschreiben.
Die Autor*innen – UN Sustainable Development Solutions Network (SDSN), SDSN Europe und Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) – betonen, dass es zu einer Stagnation gekommen sei und sich Fortschritte, die bei den sozialen Zielen in vielen europäischen Ländern erreicht worden seien, zu Rückschritten umgekehrt haben. Das sei insbesondere beim Zugang zu sozialstaatlichen Dienstleistungen sowie Bemühungen zur Armutsreduktion zu beobachten und sei teilweise auf die Krisen seit 2020 zurückzuführen. Zudem lenke die globale Finanzarchitektur Ressourcen nicht schnell genug und nicht in ausreichendem Umfang in SDG-Investitionen.
Im Vorfeld der EU-Wahlen sowie mit Blick auf den vom UN-Generalsekretär einberufenen Zukunftsgipfels im September 2024 ruft der Bericht die EU daher dazu auf, ihrer tragenden Rolle bei der Erreichung der SDGs sowohl innerhalb Europas als auch weltweit gerecht zu werden.
„Die politischen Parteien, die für die Europawahlen werben, und die künftigen Führungskräfte der Europäischen Union tragen eine historische Verantwortung. Die von allen UN-Mitgliedstaaten im Jahr 2015 verabschiedeten Ziele für nachhaltige Entwicklung werden in Europa und weltweit nicht erreicht, obwohl sie die Zukunft sind, die Europa und die Welt wollen. (…) Langfristige Investitionen und regionale Zusammenarbeit sind erforderlich, um Kompetenzen und Innovationen zu fördern und Chancengleichheit für alle zu schaffen. In einer multipolaren und fragmentierten Welt müssen Koalitionen europäischer Vordenkerinnen und Vordenker zusammenarbeiten, um die Grundlagen für einen neuen europäischen Deal für die Zukunft zu schaffen und international eine Führungsrolle zu übernehmen, um die nächsten Jahrzehnte der globalen nachhaltigen Entwicklung vorzubereiten.“ Guillaume Lafortune, Vizepräsident des SDSN und einer der Hauptautoren des Berichts
„Die politischen Parteien, die für die Europawahlen werben, und die künftigen Führungskräfte der Europäischen Union tragen eine historische Verantwortung. Die von allen UN-Mitgliedstaaten im Jahr 2015 verabschiedeten Ziele für nachhaltige Entwicklung werden in Europa und weltweit nicht erreicht, obwohl sie die Zukunft sind, die Europa und die Welt wollen. (…) Langfristige Investitionen und regionale Zusammenarbeit sind erforderlich, um Kompetenzen und Innovationen zu fördern und Chancengleichheit für alle zu schaffen. In einer multipolaren und fragmentierten Welt müssen Koalitionen europäischer Vordenkerinnen und Vordenker zusammenarbeiten, um die Grundlagen für einen neuen europäischen Deal für die Zukunft zu schaffen und international eine Führungsrolle zu übernehmen, um die nächsten Jahrzehnte der globalen nachhaltigen Entwicklung vorzubereiten.“
Der Index für Europa wird in diesem Jahr wiederholt von nordeuropäischen Ländern angeführt. Finnland belegt zum vierten Mal in Folge den ersten Platz, gefolgt von Schweden und Dänemark, die alle einen Wert von fast oder über 80 (von 100) erreichen. Der EU-Durchschnitt liegt bei 74,5. Die Auswertung zeigt jedoch, dass auch diese Länder vor großen Herausforderungen stehen, mindestens zwei Ziele zu erreichen. Österreich belegt im diesjährigen europäischen SDG-Ranking den 4. Platz mit einem Wert von 77,7.
Wie bereits in früheren Ausgaben zeigt der Bericht, dass die EU für erhebliche negative Spillover-Effekte auf andere Länder verantwortlich ist. Sogenannte Spillover-Effekte entstehen beispielsweise durch die Inkaufnahme schlechter Arbeitsstandards entlang internationaler Lieferketten, durch die hohe Nachfrage nach Rohstoffen, deren Anbau die lokale Biodiversität gefährdet (z.B. Palmöl), oder durch die Auslagerung emissionsintensiver Produktionsprozesse. Spillover-Effekte untergraben die Bemühungen betroffener Staaten, die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.
Mit einem Wert von 64 im Spillover-Ranking belegt Österreich Platz 19 von 31. Die AG Globale Verantwortung begrüßt, dass die Bundesregierung auf das wiederholt schlechte Abschneiden reagiert und plant, im zweiten Freiwilligen Nationalen Umsetzungsbericht zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele (FNU) Österreichs, den sie 2024 den Vereinten Nationen vorlegen wird, auch auf Spillover-Effekte einzugehen. In Österreich treten Spillovers insbesondere entlang von Lieferketten global agierender Unternehmen auf, weshalb sich die AG Globale Verantwortung für eine engagierte und effektive Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes einsetzt. Um Spillover-Effekte zu vermeiden, sind Staaten sowie Staatenbündnisse also nicht nur gefragt, die weitreichenden Auswirkungen ihrer Politiken zu verstehen und zu messen, sondern politische Entscheidungen und Maßnahmen im Interesse nachhaltiger Entwicklung zu treffen.
Ergänzend zum Bericht veröffentlichten mehr als 200 Wissenschaftler*innen, Expert*innen sowie Praktiker*innen aus über 20 europäischen Ländern – darunter unser Geschäftsführer Lukas Wank – am 25. Jänner 2024 einen gemeinsamen Call for Action, der sich an die politischen Parteien und die künftige EU-Führung richtet. Entlang folgender zehn Prioritäten sind sie dazu aufgerufen, die Grundlage für einen neuen, zukunftstauglichen europäischen Deal schaffen:
(pk)