Tabelle mit Antworten der österreichischen Spitzenkandidat*innen
Wir erhielten von fünf Spitzenkandidat*innen Antworten auf unsere entwicklungspolitischen Fragen. © Globale Verantwortung

In drei Tagen haben die Parteien und ihre Spitzenkandidat*innen die EU-Wahl 2024 geschlagen. Weil das Wahlergebnis eine Neuausrichtung der internationalen Rolle der EU zur Folge haben kann, wollen wir mit unseren Aktivitäten rund um den Wahlkampf dazu beitragen, dass entwicklungspolitische Anliegen die notwendige Aufmerksamkeit erhalten, und schaffen damit eine Entscheidungshilfe.

Im Anschluss an unseren Wahlprogramm-Check baten wir die österreichischen Spitzenkandidat*innen um Antworten auf konkrete Fragen, die auf eine Förderung der internationalen Entwicklung und Humanitären Hilfe der EU abzielen. Da sich die Antworten zum Teil von den Inhalten der Wahlprogramme der Parteien unterscheiden, stellen wir in diesen Fällen einen Vergleich an. Zum Beispiel befürworten zwar alle Spitzenkandidat*innen, von denen wir eine Rückmeldung erhielten, eine Stärkung der Humanitären Hilfe und eine Erhöhung der Mittel des dafür zuständigen europäischen ECHO-Programms. Allerdings geht nur die KPÖ auch in ihrem Wahlprogramm konkret darauf ein, die Mittel für Humanitäre Hilfe in Kriegsgebieten aufstocken und die „Kapazitäten zur zivilen Konfliktvermeidung und -vermittlung“ ausbauen zu wollen.

Von FPÖ und der Liste DNA erhielten wir keine Antworten.

Nutzen Sie Ihr Wahlrecht, denn am 9. Juni 2024 hat es die wahlberechtigte Bevölkerung der EU in der Hand, ob die EU in Zeiten massiver globaler Herausforderungen eine richtungsweisende Kraft für Demokratie, Menschenrechte und Stabilität bleibt.

ÖVP

Reinhold Lopatka

Reinhold Lopatka beantwortet die Frage, ob er sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und die Zivilgesellschaft innerhalb und außerhalb der EU einsetzen wird, mit ja. Das ÖVP-Wahlprogramm nennt die Zivilgesellschaft nicht. Auf die Frage, ob er eine Feministische Außenpolitik befürwortet, gibt der ÖVP-Spitzenkandidat keine eindeutige Antwort, sondern betont, dass sich seine Partei „für die Gleichberechtigung von Mann und Frau in allen Lebensbereichen“ einsetze. Dabei gehe es „weniger um Etikettierung“, also den Anspruch einer Feministischen Außenpolitik, als um konkrete Maßnahmen. Er hebt hervor, dass in Österreich zuletzt das Frauen- und Gewaltschutzbudget erhöht wurden. Da Lopatka aber nicht auf Geschlechtergerechtigkeit außerhalb Österreichs oder auf dafür notwendige Maßnahmen eingeht, werten wir seine Antwort als ein Nein.

Analog zum ÖVP-Wahlprogramm verknüpft Reinhold Lopatka die Frage, ob er sich für eine Stärkung der Humanitären Hilfe einsetzen wird, mit der Möglichkeit, dadurch illegale Migration zu reduzieren. Er spricht sich explizit gegen eine Erhöhung der Mittel für das DG-ECHO-Programm aus, da sich Österreich bereits ausreichend daran beteilige. Klimaschutz verbindet Lopatka, ebenso wie das ÖVP-Wahlprogramm, mit Wirtschaftsinteressen: Mit Blick auf das bestehende EU-Ziel einer Klimaneutralität bis 2050 lehnt er darüberhinausgehende Ambitionen ab. Der Green Deal habe „vor allem die Bürokratie, Auflagen und Einschränkungen“ gebracht, weniger eine Stärkung der Wirtschaft. Das Aus für Neuzulassungen von Autos mit Verbrennermotoren solle zurückgenommen werden.

SPÖ

Andreas Schieder

SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder hat alle Fragen mit ja beantwortet und nicht näher ausgeführt. Mit zwei seiner Antworten konkretisiert er die Angabe der SPÖ im Wahlprogramm, sich für ein „starkes Engagement“ für Entwicklungsprogramme und Humanitäre Hilfe einsetzen zu wollen (im Wahlprogramm-Check wiesen wir darauf hin, dass die SPÖ die Erhöhung der dafür notwendigen Mittel nicht thematisiert): In seiner Antwort bejaht Schieder erstens, die Humanitäre Hilfe zu stärken und die Mittel für das EU-Programm ECHO aufzustocken. Zweitens will er sich für einen Umsetzungsplan auf EU-Ebene für das 0,7%-Ziel einsetzen. Die überwiegende Mehrheit europäischer Länder hat das Ziel der OECD, jährlich 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungshilfeleistungen (ODA) bereitzustellen, noch nie erreicht. So auch Österreich. Wir empfehlen einen Umsetzungsplan, der die sogenannte ODA-Quote der einzelnen EU-Staaten kurzfristig über den europäischen Durchschnitt von aktuell 0,47%[1] des BNE hebt und dann auf 0,7% erhöht.

Die Grünen

Lena Schilling

Auch die Spitzenkandidatin der Grünen hat auf alle Fragen ohne Ausführungen ja geantwortet. Diese Antworten werden auch durch Inhalte des Wahlprogramms gestützt. In unserem Wahlprogramm-Check kamen wir zum Urteil, dass die Grünen die wachsende Bedeutung der Humanitären Hilfe ausführlich betonen, allerdings, anders als von uns gefordert, nicht die dafür notwendigen Mittel. Dennoch hat Lena Schilling der Frage nach einer Stärkung der Humanitären Hilfe und Erhöhung der Mittel für das DG-ECHO-Programm zugestimmt.

NEOS

Helmut Brandstätter

Der NEOS-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter unterstützt die ambitionierte Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes. Das Wahlprogramm seiner Partei nennt dieses nur in Zusammenhang mit der Industriepolitik, die nicht nur „eine Grenzausgleichssteuer für CO2 oder ein Lieferkettengesetz“ beinhalten dürfe. Auf die Frage zu Klimaschutz, -gerechtigkeit und -finanzierung haben wir keine eindeutige Antwort erhalten. Brandstätter betont, dass die NEOS das EU-Ziel, den Treibhausgasausstoß bis 2030 um 55% zu reduzieren, aber auch ein zusätzliches Klimaziel bis 2040, sollte es beschlossen werden, unterstützen. Die liberale Fraktion im EU-Parlament sei eine „wichtige politische Kraft“ bei der Verabschiedung von Klimagesetzen im Rahmen des Green Deals zwischen 2019 und 2024 gewesen. Auf ein Ende klimaschädlicher Investitionen geht er aber nicht ein.

Obwohl die NEOS in ihrem Wahlprogramm weder Geschlechtergerechtigkeit noch damit verbundene Anliegen thematisieren, befürwortet ihr Spitzenkandidat eine Feministische Außenpolitik. Ebenso einen Umsetzungsplan für ein 0,7%-Ziel, wenngleich die NEOS im Wahlprogramm vorschlagen, die Mittel der EU-Staaten für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) zu „vergemeinschaften“. Eine Vergemeinschaftung würde einen Umsetzungsplan überflüssig machen, denn die EU-Staaten würden dadurch künftig keine eigene EZA, die ein wesentlicher Teil ihrer öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen ist, betreiben, sondern nur noch die EZA der EU mitfinanzieren.

KPÖ

Günther Hopfgartner

Für KPÖ-Spitzenkandidat Günther Hopfgartner ist eine lebendige Zivilgesellschaft „Voraussetzung für Demokratie und Entwicklung“, deren Stimme – sowie die Stimmen von Kleinbäuer*innen und Gewerkschaften – im Mittelpunkt von „bilateralen Beziehungen, Entwicklungszusammenarbeit und Handelspolitik“ stehen sollten, und nicht jene von Konzernen und Lobbyist*innen. Auf die Förderung der Pressefreiheit geht Hopfgartner, wie auch das EU-Wahlprogramm der KPÖ, nicht ein. Des Weiteren erklärt der Spitzenkandidat, dass Feministische Außenpolitik für die KPÖ bedeute, „in der aktuellen Situation gerade auch die Rolle von Frauen in der Friedensarbeit zu stärken“. Das Wahlprogramm geht nicht explizit auf Geschlechtergerechtigkeit in Ländern des Globalen Südens oder dafür notwendige außenpolitische Maßnahmen ein, sondern verweist allgemein auf die Benachteiligung von Frauen, wegen der eine Neubewertung ihrer Lohn- und Sorgearbeit notwendig sei.

[1] Voraussichtlicher Durchschnitt des Jahres 2023 der europäischen Länder, die Mitglied des Development Assistance Committe der OECD sind. Siehe OECD (11.04.2024): ODA Levels in 2023 – preliminary data

(Team der AG Globale Verantwortung)


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