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EU Emergency Trust Fund (EUTF)

Im November 2015 beschlossen 25 EU-Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission sowie Norwegen und die Schweiz auf dem Gipfel von Valletta die Einrichtung des “Nothilfe Treuhandfonds  für Stabilität und Bekämpfung der Ursachen von irregulärer Migration und Vertreibung in Afrika“ (EU Emergency Trust Fund – EUTF), um „rasch“ auf die „großen Herausforderungen“ reagieren zu können.

Der EUTF hat derzeit (Stand 26.2.2018 – Factsheet) ein Volumen von 3,4 Milliarden Euro. Die Mittel für den Fonds werden sowohl von der EU-Kommission (88%) als auch von den Mitgliedstaaten (12%) zur Verfügung gestellt. Der  EUTF umfasst drei Schwerpunktregionen (Sahel-Region und Tschadsee, Horn von Afrika sowie Nordafrika) mit insgesamt 26 Staaten. Aus dem Fonds werden Programme und Projekte in den Bereichen wirtschaftliche Entwicklung/Schaffung von Jobs, Stärkung der Resilienz, Verbesserung des „Migrationsmanagements“ sowie Verbesserung des Grenzmanagements und Kampf gegen Schlepperei finanziert.

Mit dem Treuhandfonds wurde zwar ein neues Instrument geschaffen, die Finanzierung erfolgt jedoch in den seltensten Fällen mit „frischem“ Geld, sondern durch Umschichtungen der bestehenden Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe. Österreich nimmt dafür Mittel aus dem laufenden ADA Budget bzw. nahm auch schon drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds, welcher an sich für humanitären Krisen und Katastrophenfälle im Ausland vorgesehen ist.  Der Großteil des Fonds wird aus den Instrumenten des EU-Budgets finanziert, welche eigentlich für ODA vorgesehen sind. 

Inwiefern der EUTF tatsächlich die Ziele der ODA verfolgt, ist umstritten. KritikerInnen befürchten, dass das Ziel der Verhinderung von Migration über das Ziel der Armutsbekämpfung gestellt wird. Während die EU einerseits einen Menschenrechtsbasierten Ansatz bei der Entwicklungszusammenarbeit verfolgt, wird z.B gleichzeitig mit Mitteln des EUTF die libysche Küstenwache finanziert, welcher wiederholt Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wurden. Gleichzeitig wird mit der Zielsetzung, mit den Projekten und Programmen die Ursachen von irregulärer Migration und Vertreibung in Afrika zu bekämpfen, eine sehr hohe Erwartungshaltung geschaffen, die kaum zu erfüllen ist und durch empirische Studien zum Thema Migration bisher nicht belegt wurde.

Ein weiterer Kritikpunkt, welcher im CONCORD Bericht vorgebracht wird, sind die mangelnden Mitbestimmungsmöglichkeiten (Ownership) der Partnerländer. Afrikanischen DiplomatInnen kritisierten gegenüber den AutorInnen des CONCORD Berichts, dass die europäische Migrationspolitik, einschließlich des EUTF, auf europäische Interessen fokussiere und primär dazu genutzt werde Migration aus Afrika nach Europa einzudämmen und Rücknahmeabkommen zu forcieren. Die Herangehensweise des EUTF in Bezug auf Transparenz, Monitoring und Folgeabschätzung für die Politik sei zudem ausbaufähig. Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine Analyse des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), welche davor warnt, die afrikanischen  Partner  nicht vor  den  Kopf  zu  stoßen indem deren  Ziele, Wissen und Fähigkeiten ignoriert werden. Selbst eine offizielle Evaluierung der EU-Finanzinstrumente kommt zu dem Schluss, dass der EUTF die Prinzipien der Partnerschaft und des Ownerships nicht ausreichend berücksichtigt.

Im aktuellen CONCORD Bericht werden diese strittigen Punkte diskutiert und die allgemeine Governance des EUTF analysiert. Weiter wird die Umsetzung von EUTF-Projekten anhand von drei Länderbeispielen mithilfe von qualitativen Interviews mit nationalen und lokalen Behörden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und einer großen Bandbreite von AkteurInnen, die im Rahmen des EUTF tätig sind, erörtert.
In der Folge werden die drei Case Studies der Studie umrissen:

Case Studies – Niger, Äthiopien und Libyen

Niger ist Teil der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS),  in welcher der freie Personenverkehr zentraler Bestandteil ist. Laut dem CONCORD-Bericht wird dieser durch die Vorgehensweise der EU nun deutlich erschwert. Nicht nur werden MigrantInnen und Flüchtlinge gezwungen gefährlichere und längere Routen zu wählen, sondern es sind auch jene Bevölkerungsgruppen betroffen, die Saisonarbeit leisten und nomadischen Gemeinschaften angehören. Durch ungesicherte Routen ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer von Menschenhandel oder sexueller Gewalt zu werden, stark erhöht. Die Analyse der Interviews hat zudem ergeben, dass die Bevölkerung in Bezug auf Armutsreduktionsprojekte und den Ausbau von wirtschaftlichen Alternativen zu Schmuggel hohe Erwartungen in die EU gesetzt hat. Die Hälfte der EUTF-Unterstützung werde allerdings lokalen Behörden zur Verfügung gestellt, um Migrationsbewegungen zu verringern. Die restlichen EUTF-Projekte fokussieren auf „Entwicklungs- und Schutzmaßnahmen“, d.h. Maßnahmen, die sich auf die Bekämpfung der Ursachen von erzwungener Migration sowie auf den Schutz von MigrantInnen konzentrieren und laut dem CONCORD-Bericht zumindest teilweise den Zielsetzung der ODA entsprechen. Lokale NGOs beanstanden jedoch, dass sie dazu aufgefordert werden ihre Programme in den Bereich Migration zu verlegen, auch wenn ihre Schwerpunkte eigentlich wo anders liegen.

Im Gegensatz dazu zeigt das Fallbeispiel Äthiopien, dass die EUTF-Projekte im Partnerland größtenteils auf Entwicklungs- und Schutzmaßnahmen fußen. Diese Projekte stehen laut dem Bericht oft im Einklang zu den Grundsätzen der Entwicklungszusammenarbeit. Dies könnte sich  jedoch in Zukunft ändern, da die Kooperationsstrategie der EU auf einer Ausweitung und Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich Rückführung und Rückübernahme fokussiert.

Im Fall Libyen kommt der CONCORD-Bericht zu dem Schluss, dass die EU ihre Migrationsstrategie drastisch überdenken sollte. Hier geht es vor allem darum sicherzustellen, dass Akteure, die im Bereich der Grenzsicherung Menschenrechtsverletzungen begehen, keine finanzielle Unterstützung der EU erhalten. Laut CONCORD sollte jede Unterstützung effektiv zur langfristigen Stabilität des Landes und zum Schutz der Bedürftigen beitragen und sich nicht lediglich auf Auflagen im Zusammenhang mit Migrationskontrolle stützen.

Die beiden Länderbeispiele Libyen und Niger zeigen, dass die Migrationspolitik der EU, bisherige Bemühungen in den Bereichen Menschenrechte, Entwicklung und auch Migration untergraben können. Aufgrund der einseitigen Herangehensweise der EU können die EUTF-Projekte den Schutz, den sie Flüchtlingen und MigrantInnen bieten sollten, nicht gewährleisten. Gleichzeitig begrenzen und verhindern sie teilweise  reguläre  Migration, die positive Auswirkungen auf die Wirtschaft haben kann hat.

Auf Basis der drei Länderbeispiele schlägt CONCORD folgende Empfehlungen vor:

  • Berücksichtigung  (Mainstreaming) der Menschenrechte bei allen Maßnahmen
  • Sicherstellung, dass keine Mittel der ODA, deren Hauptziel die Bekämpfung von Armut ist, für europäische Sicherheits- und Migrationsmaßnahmen verwendet werden
  • Umsetzung  der Wirksamkeitsprinzipien (development effectiveness principles) und Stärkung der Widerstandsfähigkeit (Resilience) von Gemeinschaften
  • Beendigung der Konditionalitäten zwischen EZA-Mitteln und Maßnahmen zur Migrationskontrolle
  • Neuausrichtung des derzeitigen EU-Ansatzes für den Migration-Entwicklungs-Nexus in Bezug auf Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung (PCSD)
  • Reform der  Verwaltung des Trust Funds
  • Formulierung von Lessons learnt, die in den nächsten mehrjährigen Finanzrahmens (MFF) der EU einbezogen werden
  • Schaffung von regulären Routen für Flüchtlinge und MigrantInnen

Ausführlichere Formulierungen der Empfehlungen finden sich in der Publikation (S. 32-35).


CONCORD-Bericht als Download


Weitere Informationen:

(jm), (kkr)