Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Bericht
2021 ist in der EU zu wenig Entwicklungsfinanzierung geflossen, um angemessen dazu beitragen zu können, multiple Krisen weltweit einzudämmen. Zu diesem Ergebnis kommt CONCORD im neuen AidWatch Report 2022. So bedarf es weiterhin mehr öffentlicher Entwicklungshilfeleistungen, um den ärmsten Menschen der Welt dringend notwendige Hilfe bieten zu können. Aber auch, um beispielsweise Geschlechtergleichstellung oder die Zivilgesellschaft in Partnerländern zu fördern
CONCORD, Dachverband europäischer Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, hat heute (24.10.2022) seinen AidWatch Report 2022 mit Titel Is the EU a payer, player… or just full of hot air? präsentiert. Wie in jedem Jahr beleuchtet CONCORD auf Country Pages die Quantität und Qualität öffentlicher Entwicklungsleistungen (Official Development Assistance, ODA) der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Die Daten, die für das Vorjahr im Frühling vorläufig veröffentlicht und gegen Jahresende bestätigt werden, bezieht der Dachverband von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Entwicklungshilfeleistungen bilden eines der mächtigsten Instrumente, um sowohl Regierungen als auch die Zivilgesellschaft in Ländern des Globalen Südens in ihren Bemühungen, den ärmsten und schwächsten Menschen zu helfen, zu unterstützen. Weiters analysiert der Bericht multilaterale Hilfeleistungen, mit denen EU-Staaten dazu beitragen, negative Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in diesen Ländern abzumildern. Darunter fallen etwa Unterstützungszahlungen an die internationale COVAX-Initiative.
Darüber hinaus suchen die Autor*innen des Berichts Antworten auf zentrale Fragestellungen öffentlicher Entwicklungshilfeleistungen:Gibt es genug ODA? Wird diese korrekt angewendet und wirksam eingesetzt? Inwieweit kann ODA Ungleichheiten verringern? Welche Maßnahmen hat die EU auf multilateraler Ebene gesetzt, um dem Globalen Süden während der COVID-19-Pandemie zu unterstützen?
Laut AidWatch Report bleibt die EU auch im Jahr 2021 weit hinter dem international vereinbarten Ziel, 0,7% des Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungshilfeleistungen bereitzustellen, zurück. Österreich stellte 0,31% seines BNE bereit und erreichte, wie viele andere EU-Staaten auch, das 0,7%-Ziel nicht einmal zur Hälfte. Im Durchschnitt erreichte die EU eine ODA-Quote von 0,48% und meldete der OECD ODA-Beiträge in Höhe von insgesamt 65,5 Mrd. Euro. Damit konnte die EU ihre Position als größte globale ODA-Geberin gegenüber den Vereinigten Staaten, Japan, dem Vereinigten Königreich und Kanada 2021 verteidigen. Dennoch sind diese Ausgaben viel zu niedrig, um den Auswirkungen multipler Krisen, etwa auch hohen Inflationsraten und Zinsen, entsprechend entgegenzuwirken, resümiert der Bericht.
2021 stieg der Anteil, den die sogenannte überhöhte Hilfe (Inflated Aid) an der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe der EU und ihrer Mitgliedstaaten ausmacht, auf 16,7%. Mit dieser bezeichnet CONCORD jene Leistungen, die zwar als ODA anrechenbar sind, aber nicht zu Humanitärer Hilfe oder nachhaltiger Entwicklung in den Partnerländern beitragen. Ein Beispiel sind nicht benötigte Impfstoffe gegen COVID-19, die EU-Staaten an Länder des Globalen Südens weitergeben. Sie dürften massiv dazu beigetragen haben, dass überhöhte Hilfe erstmals seit fünf Jahren wieder gestiegen ist und nun jeden sechsten Euro, der in der EU als ODA gemeldet worden ist, ausmacht. Der Bericht kommt zum Schluss, dass die EU die öffentliche Entwicklungshilfe weiterhin nicht korrekt einsetzt, weshalb er sich insbesondere auf die Bewertung der „echten“ öffentlichen Entwicklungshilfe konzentriert.
Die EU hat in den letzten zwei Jahren neue Initiativen eingeleitet, um ihre internationalen Partnerschaften besser und kohärenter verwalten zu können. Die Evaluierung der Ergebnisse ist noch nicht beendet und eine wirksame Kontrolle weiterhin unerlässlich. Darüber hinaus ist das neue EU-Finanzierungsinstrument NDICI-Global Europe mit einem Gesamtvolumen von 80 Mrd. Euro bislang noch nicht über die Programmierungsphase hinausgekommen und CONCORD attestiert der EU eine intransparente Budgetaufstellung. Das Team Europe hat einige zaghafte Schritte nach vorne gemacht, es ist aber vor Ort zu wenig sichtbar und bindet Organisationen der Zivilgesellschaft zu wenig ein.
Die EU versäumt es weiterhin, die ärmsten Länder der Welt (Least Developed Countries, LDCs) umfassend zu unterstützen. Ihr Schwerpunkt liegt unverhältnismäßig stark auf europäischen Nachbarländern und weniger auf LDCs. Der Bericht regt die EU dazu an, ihre Klimafinanzierung in ärmeren Ländern zu verstärken, um die jährliche Zusage der Staaten des Globalen Nordens von 100 Mrd. US-Dollar laut Pariser Klimaabkommens bis 2025 zu erreichen. Metriken für EU-Gleichstellungsprojekte sollten strenger sein und EU-Staaten zivilgesellschaftliche Organisationen im eigenen Land sowie in Partnerländern wirksamer unterstützen, indem sie ihre Kernfinanzierung deutlich aufstocken.
Wie in den Jahren zuvor spricht sich CONCORD im Bericht für bessere sowie höher finanzierte Entwicklungshilfeleistungen aus. Die Europäische Kommission und die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten sollten …