Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Bericht
Der europäische Dachverband für entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen CONCORD hat von der EU geförderte Programme aus Südafrika, Paraguay und Bangladesch analysiert, die zum Ziel hatten, systematische Ungleichheit abzubauen. Diese zeigen: Wenn Programme Ungleichheit als multidimensionales Problem begreifen, lokale Gemeinschaften einbeziehen und Politikkohärenz fördern, kann die Entwicklungspolitik der EU zu mehr Gerechtigkeit in der Welt beitragen.
Die Verringerung von Ungleichheiten ist das zehnte von 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) der Agenda 2030 und geht mit dem Versprechen, niemanden zurückzulassen (Leaving no one behind) einher. Auch andere SDGs beziehen sich indirekt auf die Bekämpfung von Ungleichheiten in ihren unterschiedlichen Dimensionen.
Globale Ungleichheiten wirken sich auf vielfältige Weise aus: Sie betreffen beispielsweise den Zugang zu Dienstleistungen und Ressourcen, das Recht auf einen angemessenen Lebensunterhalt oder die Teilhabe an politischen Prozessen. Die Ursachen für Ungleichheiten sind häufig Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, des Alters, der Herkunft, einer Behinderung, der sexuellen Identität oder Orientierung – und verstärken sich gegenseitig.
CONDORD begrüßt, dass die Europäische Union die Bekämpfung globaler Ungleichheiten zunehmend als zentrale Herausforderung betrachte, denn aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit und seines heutigen Wohlstands trage der Kontinent eine große Verantwortung, diese abzubauen. Doch betont CONCORD, dass die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Europas dahingehende Bemühungen oftmals untergraben: Sie seien nach wie vor von neokolonialen Strukturen geprägt, die Ungleichheiten aufrechterhalten.
In einem aktuellen Bericht stellt CONCORD bestehende, von der EU geförderte Programme aus Südafrika, Paraguay und Bangladesch vor, die den Zugang zu öffentlichen Institutionen, aber auch die Verwaltung und Infrastruktur verbessern sollen. Diese unterstützen schon heute marginalisierte Gruppen dabei, Gleichberechtigung bzw. Gerechtigkeit zu erlangen. An diesen und ähnlichen Good-Practice-Beispielen solle sich die EU bei der Förderung künftiger entwicklungspolitischer Projekte orientieren, um treffsicherer dazu beizutragen, Ungleichheiten zu verringern.
Das Projekt Asivikelane riefen mehrere Organisationen als Reaktion auf die Lockdowns während der COVID-19-Pandemie ins Leben. Ziel war es, die Geschehnisse in informellen Siedlungen zu dokumentieren und sicherzustellen, dass Anliegen der Communities gehört werden. Seither hat sich das Projekt weiterentwickelt und erreicht heute rund 400 informelle Siedlungen in zehn Gemeinden. Jeden Monat beantworten Bewohner*innen per SMS, WhatsApp oder Telefon eine Reihe von Fragen, zum Beispiel zur Wasser- und Abwasserversorgung oder zur Müllabfuhr. Asivikelane fasst die Daten in einem Ampelsystem zusammen, wodurch der Versorgungsstand überprüfbar ist und teilt die Ergebnisse mit der Regierung.
Zusätzlich unterstützt das Projekt Bewohner*innen dabei, den kommunalen Haushalt besser zu planen und sich in den Planungsprozess einzubringen Einwohner*innen aus 53 Siedlungen kommentierten den Haushalt und nahmen an öffentlichen Haushaltssitzungen teil, um konkrete Empfehlungen abzugeben, z.B. höhere Budgets für Wasser- und Stromversorgung, Toiletten sowie die Müllabfuhr. Nach Veröffentlichung der Budgets zeigte sich, dass es große Veränderungen gegeben hatte, z.B. waren die Mittel für Toiletten in informellen Siedlungen um 53% gestiegen. Ein Ergebnis, das auf das Engagement der Zivilgesellschaft zurückzuführen war.
Auch wenn es noch viel zu tun gibt (zum Beispiel, um die Transparenz von Geldflüssen zu gewährleisten), zeigt das Projekt, dass ein Kanal, über den Bewohner*innen informeller Siedlungen aktiv mit der Regierung zusammenarbeiten können, dazu beitragen kann, ihre Lebensqualität zu verbessern und somit Ungleichheiten zu reduzieren.
Das Projekt Bridging the Gap der EU und einiger Mitgliedstaaten zielt darauf ab, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in mehreren Ländern des Globalen Südens, darunter Paraguay, zu verbessern. In einer ersten Phase evaluierte das Projekt bestehende staatliche Instrumente, die dazu beitragen sollten, die Internationale Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD) umzusetzen. Paraguay hatte die Konvention im Jahr 2008 ratifiziert. In einer zweiten Phase stellte Bridging the Gap öffentlichen Institutionen des Landes fehlende Instrumente bereit, um einen nationalen Inklusionsplan zu stärken. Um im Zuge dieses Plans Fördermittel aus dem Staatshaushalt erhalten zu können, wurden in einem partizipativen Prozess verpflichtende Indikatoren für Institutionen entwickelt.
Paraguay gelang es, die Zugänglichkeit von Websites für Menschen mit Behinderungen zu verbessern und das Bildungssystem inklusiver zu gestalten. Das Land vereinfachte Verfahren zur Datenerfassung und führte auch eine Studie durch, wie bei einer Volkszählung besser Daten über Behinderungen erhoben werden könnten. Öffentliche Institutionen sind nun verpflichtet, über gesetzte Maßnahmen und verwendete Methoden zu berichten.
Dass Selbstvertreter*innen von Anfang an miteinbezogen wurden, war ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Bridging the Gap in Paraguay. Einer von ihnen war Mario, Mitglied derNationalen Kommission für Behinderung (CONADIS). In Zusammenarbeit mit der Spanischen Agentur für internationale Entwicklungszusammenarbeit (AECID) stellten er und weitere Selbstvertreter*innen sicher, dass Menschen mit Behinderungen eine zentrale Rolle im Prozess einnahmen.
Mario hob für den Bericht von CONCORD hervor, dass Bridging the Gap eine zugängliche und inklusive Entwicklungszusammenarbeit für Menschen mit Behinderungen in Paraguay ermöglicht habe, wodurch sich ihre gesellschaftliche Teilhabe und die Wahrung ihrer Rechte verbesserte. Zuvor habe Mario beispielsweise die Erfahrung gemacht, dass Menschen in Paraguay bereits die Bereitstellung von Rollstühlen als Inklusion werteten.
Bezirksgerichte in ländlichen Gebieten Bangladeschs haben oftmals nicht genügend Kapazitäten, um alle vorliegenden Verfahren zu bearbeiten. Daher erließ die Regierung 2006 den Village Court Act: Das Gesetz ebnete den Weg für eine Alternative zu zivil- und strafrechtlichen Verhandlungen.
Um das System der Dorfgerichte in Bangladesch zu stärken, das zu mehr Gerechtigkeit in den Gemeinden beitragen soll, unterstützen EU und UNDP das Programm Activating Village Courts. Nach einer ersten Testphase erreichte es in Zusammenarbeit mit der Regierung und zivilgesellschaftlichen Organisationen bis März 2023 über 21 Mio. Menschen. Die Verfahren behandeln Landrechte über Einkommenskonflikte bis hin zu Diebstählen und finanziellen Streitigkeiten. Indem Activating Village Courts den Zugang zu Justiz in ländlichen Gemeinden erleichtert, trägt es dazu bei, soziale und politische Ungleichheiten zu verringern.
Der Erfolg der Dorfgerichte ist auf ihren lokalen Charakter zurückzuführen. Das Projekt konzentrierte sich auf den Aufbau von Kapazitäten auf lokaler Ebene, insbesondere in der Rechtsberatung, die Zusammenarbeit mit NROs und die Durchführung von Sensibilisierungskampagnen, um sicherzustellen, dass diese Gerichte auch marginalisierten Gemeinschaften bekannt und zugänglich sind.
Um Ungleichheiten langfristig abzubauen, ist es notwendig, dass entwicklungspolitische Projekte der EU ein multidimensionales Verständnis von Ungleichheit haben und einen menschenrechtsbasierten Ansatz sowie Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung in allen Bereichen verfolgen. Um das zu erreichen empfiehlt CONCORD, dass die Mitgliedstaaten die Bekämpfung von Ungleichheit zu einer Priorität machen, indem sie …
(pk)