Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick

  • Die COVID-19-Pandemie hat jahrzehntelange Fortschritte in der weltweiten Bekämpfung extremer Armut zunichtegemacht
  • Oxfam schätzt, dass im Jahr 2022 zusätzlich eine Viertelmilliarde Menschen (263 Mio.) in extreme Armut rutschen werden, womit die Gesamtzahl auf 860 Mio. Menschen steigen würde.
  • An Anteilen ihres Einkommens gemessen geben Menschen in einkommensschwachen Ländern doppelt so viel für Lebensmittel aus wie Menschen in reicheren Ländern.
  • Gleichzeitig hat die Pandemie mehr als 573 neue Milliardär*innen geschaffen: Während alle 30 Stunden eine Million Menschen in extreme Armut rutschen, kommt ein neuer Milliardär hinzu. 
  • In den ersten 24 Monaten der Pandemie ist das Vermögen von Milliardär*innen stärker gestiegen als in den letzten 23 Jahren zusammen.
  • Entsprach das Gesamtvermögen aller Milliardär*innen 2000 noch 4,4% des globalen BIP, hat es sich mittlerweile auf 13,9% im Jahr 2022 verdreifacht.
  • Die zehn reichsten Männer der Welt besitzen mehr Vermögen als die ärmsten 40%, also 3,1 Mrd. Menschen, zusammen.
  • Das Vermögen der reichsten 20 Milliardäre der Welt (19 Männer und eine Frau) ist höher als das BIP aller Länder Subsahara-Afrikas zusammengerechnet.
  • Um das Gleiche wie eine Person der reichsten 1% in einem einzigen Jahr zu verdienen, müsste eine der ärmsten 50% 112 Jahre lang arbeiten.
  • Oxfam fordert die Einführung von verschiedenen Vermögenssteuern.
Screenshot der Titelseite der 2022 erschienenen Studie von Oxfam "Profiting from Pain"
© Oxfam 2022

Für den Großteil der Menschheit hat die COVID-19-Pandemie negative Auswirkungen. Sie bedeutet Leid, Unsicherheit und höhere Kosten durch die Inflation. Doch für Milliardär*innen dieser Welt ist momentan eine extrem profitable Zeit. Die diesjährige Untersuchung von Oxfam zeigt, wie Unternehmen der Energie-, Lebensmittel- und Pharmabranche, in denen Monopole besonders verbreitet sind, seit Beginn der Pandemie extrem hohe Gewinne verbuchen. Der Reichtum der Milliardär*innen, die hinter diesen Unternehmen stehen, ist seither sprunghaft angestiegen. Die Zentralbanken pumpten mehrere Milliarden US-Dollar in Volkswirtschaften, um einen Wirtschaftszusammenbruch zu verhindern. Ein Nebenprodukt dieser finanziellen Unterstützung ist ein Vermögensanstieg von Superreichen. Denn die Geldpolitik trieb die Vermögenswerte in die Höhe und somit auch das Nettovermögen von Milliardär*innen.

So gibt es nach zwei Jahren Pandemie 573 neue Milliardär*innen, alle 30 Stunden überschreitet eine*r die Vermögensgrenze von einer Milliarde US-Dollar. Gleichzeitig rutschen für jede*n zusätzliche*n Milliardär*in ca. 1 Mio. Menschen in Armut ab. Das Gesamtvermögen der Milliardär*innen beläuft sich inzwischen auf 12,7 Billionen US-Dollar (= 12700 Milliarden), was 13,9% des weltweiten BIP entspricht – eine Verdreifachung gegenüber dem Jahr 2000, als der Anteil bei 4,4% lag.

Während Lebensmittel weltweit immer teurer werden (im Jahr 2021 um über 30%), steigt das durchschnittliche Einkommen nicht ausreichend an. Durch die hohe Inflation sinkt der Reallohn sogar teilweise. So stürzen die aktuellen Lebenshaltungskosten Hunderte Millionen Menschen in extreme Armut. Oxfam schätzt, dass im Jahr 2022 zusätzlich 263 Mio. Menschen in extreme Armut gedrängt werden könnten. Grund dafür ist weiterhin die COVID-19-Pandemie, aber auch damit zusammenhängende globale Ungleichheiten sowie steigende Lebensmittel- und der Energiepreise, die durch den Krieg gegen die Ukraine zusätzlich steigen.

Anteil des Einkommens, der für Lebensmittel ausgegeben wird in USA, Mosambik und
Peru © Oxfam 2022

Menschen in einkommensschwachen Ländern geben seit der Pandemie mehr als doppelt so viel ihres Einkommens für Lebensmittel aus wie Menschen in reicheren Ländern. Steigende Preise treffen arme Menschen finanziell also weitaus härter als reiche Menschen. Während Menschen in vielen Ländern des Globalen Nordens ca. 17% ihres Geldes für Lebensmittel ausgeben, sind es bspw. in Ländern südlich der Sahara 40%. Das Balkendiagramm bestätigt, dass auch Menschen innerhalb eines Landes unterschiedlich hohe Anteile ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben. “It has never been more expensive to be poor”, resümiert Oxfam.

Eine Folge von weltweit rekordhohen Lebensmittelpreisen seien unter anderem zunehmend soziale und politische Unruhen. Die UNO schätzt, dass mehr als 193 Mio. Menschen in 53 Ländern unter akutem Hunger leiden. Allein in Ostafrika seien bspw. 28 Mio. Menschen von Hunger bedroht. Grund dafür seien unter anderem die Folgen der Klimakrise, denn verlängerte Dürreperioden würden zu Hungersnöten und humanitären Krisen führen. Ein weiterer Vergleich zeigt, dass das Vermögen der reichsten 20 Milliardäre größer ist als das gesamte BIP afrikanischer Länder südlich der Sahara.

Die Pandemie der Ungleichheit

Seit Pandemiebeginn sind Ungleichheiten sprunghaft angestiegen, etwa in Bezug auf Vermögen, Einkommen, Geschlechtergerechtigkeit, Gesundheitsversorgung, aufgrund von Rassismus, aber auch Ungleichheiten zwischen Ländern. Einige Beispiele:

  • Vermögensungleichheit

Es gibt mittlerweile 2.668 Milliardäre auf der Welt (Stand: April 2022), das sind 573 mehr als noch im Jahr 2020. Die reichsten 10 Männer auf der Welt verfügen über mehr Vermögen als die ärmsten 40% zusammen. Elon Musk, der aktuell reichste unter ihnen, könnte theoretisch 99% seines Vermögens verlieren und würde trotzdem noch zu den Top 0,0001% der reichsten Menschen gehören. Sein Vermögen ist seit 2019 um 699% auf mehr als 219 Mrd. US-Dollar gestiegen.

  • Einkommensungleichheit

Wie bereits erwähnt, hat die Pandemie Einkommensungleichheiten massiv vergrößert. Das Einkommen von 99% der Menschheit ist aufgrund von COVID-19 gesunken. Im Jahr 2021 verzeichneten die ärmsten 40% den stärksten Einkommensrückgang.

  • Geschlechterungerechtigkeit

Auch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist durch COVID-19 größer geworden. Lautete die Prognose vor der Pandemie noch, dass es rund 100 Jahre dauern würde, bis sich das Lohngefälle schließt, sind es mittlerweile 136 Jahre. Weil Schließungen und Social Distancing vor allem jene Gewerbe betrafen, die stark weiblich geprägt sind (etwa Pflege, Gastgewerbe oder der Dienstleistungssektor), wurden seit 2020 Frauen unverhältnismäßig öfter aus ihrer Beschäftigung gedrängt.

  • Ungleichheit aufgrund von Rassismus

Überall auf der Welt trifft die Pandemie rassifizierte Personengruppen am stärksten. So sind beispielsweise Schwarze Menschen in den USA ihren Auswirkungen unverhältnismäßig stark ausgesetzt.

  • Gesundheitsversorgung

Gute Gesundheitsversorgung ist eigentlich ein Menschenrecht, jedoch können sich Menschen mit mehr Geld Zugang zu (besserer) medizinischer Versorgung leisten und führen statistisch betrachtet ein längeres und gesünderes Leben. Als COVID-19 ausbrach, hatten 52% der Afrikaner*innen keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung. 83% hatten kein Sicherheitsnetz, auf das sie zurückgreifen konnten, als sie ihren Arbeitsplatz verloren oder krank wurden. Infolge der Pandemie sind in ärmeren Ländern viermal mehr Menschen gestorben als in reichen Ländern.

  • Ungleichheit zwischen Ländern

Vor der Pandemie hat sich die Ungleichheit zwischen reichen und ärmeren Ländern drei Jahrzehnte lang angeglichen. Die Pandemie hat diesen Trend nun vollständig umgedreht. Besonders besorgniserregend ist die enorme Schuldenlast, mit der viele Länder jetzt konfrontiert sind. Diese untergräbt jede Hoffnung auf einen Aufschwung und hindert sie daran, ihre Bevölkerung vor den steigenden Preisen zu schützen. Der Schuldendienst führt zu dramatischen Kürzungen und Einschnitten bei öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung. 60% der Länder mit niedrigem Einkommen stehen heute am Rande der Schuldenkrise.

Billionaires’ fortunes have not increased because they are now smarter or working harder. Workers are working harder, for less pay and in worse conditions. The super-rich have rigged the system with impunity for decades and they are now reaping the benefits. They have seized a shocking amount of the world’s wealth as a result of privatization and monopolies, gutting regulation and workers’ rights while stashing their cash in tax havens — all with the complicity of governments,”

Gabriela Bucher, Executive Director of Oxfam International

Welche Branchen profitieren am meisten von der Pandemie? 

Während es Milliarden Krisenverlierer*innen gibt, gibt es einige Branchen, die besonders stark von der Pandemie und der instabilen Lage profitieren. So sind es vor allem die Lebensmittelbranche, Gas- und Ölunternehmen, die Pharmaindustrie sowie der Technologiesektor, die ihre Gewinne vervielfachen konnten. 

Oxfam empfiehlt drei Steuern einzuführen: 

Nach Einschätzung der Oxfam-Autor*innen ist es für Länder des Globalen Südens vollkommen unmöglich, eigenständig die Rezession aufzuhalten und ihre Wirtschaft zu stärken. Daher fordern die Autor*innen fünf tiefgreifende Maßnahmen, um Ländern, die von extremer Armut bedroht sind, zu helfen:

  • Einführung einer befristeten Steuer auf Krisengewinne der größten Konzerne, um zu verhindern, dass Unternehmen von Krisen profitieren können. Oxfam schätzt, dass eine solche Steuer, die derzeit nur 32 multinationale Unternehmen beträfe, Einnahmen von rund 104 Mrd. US-Dollar generieren könnte.
  • Einführung einer einmaligen Solidaritätssteuer auf pandemische Gewinne von Milliardär*innen, um die Unterstützung von Menschen zu finanzieren, die mit steigenden Lebensmittel- und Energiekosten konfrontiert sind. Beispielsweise hat Argentinien eine einmalige Sonderabgabe eingeführt.
  • Einführung einer permanenten Vermögenssteuer, um extremen Reichtum, Monopolmacht sowie den übermäßigen Kohlenstoffemissionen der Superreichen einzudämmen. Eine jährliche Vermögenssteuer für Millionäre, die bei 2% beginnt, und bei 5% für Milliardäre endet, könnte 2,52 Billionen US-Dollar pro Jahr einbringen. Das wäre genug, um 2,3 Mrd. Menschen einen Weg aus der Armut zu ermöglichen, genügend Impfstoffe für die ganze Welt herzustellen und eine universelle Gesundheitsversorgung sowie sozialen Schutz für alle Menschen in Ländern niedrigen Einkommens (3,6 Mrd. Menschen) zu gewährleisten.

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(pk)