Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Bericht
Laut vorläufiger Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)1 hat Österreich 0,31% seines Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungshilfeleistungen aufgebracht und liegt damit immer noch weit unter dem international vereinbarten Ziel von 0,7%. Auch wenn die OECD einen globalen Anstieg der Entwicklungshilfeleistungen um 4,4% im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete, beträgt die durchschnittliche ODA-Quote der OECD-Staaten lediglich 0,33% – vor dem Hintergrund stark steigender Armutszahlen ist das viel zu wenig.
Der OECD-Ausschuss für Entwicklungshilfe (Development Assistance Committee, DAC) hat Österreichs vorläufige ODA des Jahres 2021 auf Basis der aktuellen Grant-Equivalent-Berechnungsmethode3 mit 1.234 Mio. Euro berechnet. Die Nettoausschüttungen der ODA-Mittel („Total ODA Flows in net disbursement“) für Österreich liegen bei 1.254 Mio. Euro. Das stellt nur eine minimale Steigerung von 0,30% auf 0,31% im Vergleich zu 2020 dar, obwohl Länder des Globalen Südens insbesondere aufgrund der negativen Folgen der COVID-19-Pandemie sowie multipler Krisen (steigende Armut und Ungleichheiten, Klimakrise, und Kriege und Konflikte) viel mehr Mittel bräuchten, um ihre Bevölkerung zu unterstützen.
Die Daten des OECD-DAC für die bilateralen und multilateralen Leistungen sind als Darstellung in der neuen Grant Equivalent Berechnungsmethode vorhanden:
Der Anstieg der Mittel im Jahr 2021 ist auf eine Erhöhung der Mittel der humanitären Hilfe, der aufgebrachten Mittel zur COVID-19-Pandemiebekämpfung und der Kosten für Geflüchtete zurückzuführen (die sich von 2,4 % auf 4,3 % (der Gesamt-ODA) erhöht haben).
Diese Daten zeigen, dass die Regierung nach wie vor den Großteil der ODA an Länder mit mittlerem Einkommen (Middle-Income Countries, MICs) vergibt (u.a. Türkei, Bosnien und Herzegowina, und Serbien) und die österreichische ODA somit nicht die Menschen erreicht, die es am dringendsten notwendig hätten.
Insgesamt verzeichnet die OECD einen globalen Anstieg der Entwicklungsleistungen um 4,4% im Vergleich zum Vorjahr 2020. Die DAC-CSO Reference Group (eine Plattform zivilgesellschaftlicher Organisationen, die gemeinsam zu OECD DAC Themen arbeitet) weist in ihrer Stellungnahme4 darauf hin, dass sich im gleichen Zeitraum die Zahl der Menschen, die weltweit auf Humanitäre Hilfe angewiesen sind, mit 274 Mio. mehr als verdoppelt habe. Trotz der stark ansteigenden Armutszahlen sind diese Leistungen mit einer durchschnittlichen ODA Quote aller OECD DAC Mitgliedsstaaten von 0,33% des BNE aller DAC Länder für 2021 zu wenig, da diese im Vergleich zum Vorjahr 2020 unverändert blieben. Die Reference Group appelliert daher an die DAC-Mitgliedsstaaten, endlich das international vereinbarte 0,7-%-Ziel zu erfüllen und darüber hinaus 0,15% bis 0,2% ihres Bruttonationaleinkommens für die ärmsten Länder (LDCs) bereitzustellen.
Laut OECD ist der Anstieg größtenteils auf die Unterstützung der DAC-Mitglieder für COVID-19-Aktivitäten zurückzuführen, insbesondere in Form von Impfstoffspenden an andere Länder. Werden die Kosten für Impfstoffe ausgeklammert, stieg die ODA im Vergleich zu 2020 real jedoch nur um 0,6 %. Die öffentliche Entwicklungshilfe für COVID-19-Impfstoffspenden belief sich auf 6,3 Mrd. USD (bzw. 3,5 % der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe) und umfasste fast 857 Millionen Dosen für Länder des Globalen Südens. Davon entfielen 2,3 Mrd. US-Dollar (bzw. 1,3 % der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe) auf Spenden von Dosen, die über das inländische Angebot hinausgingen (in der Höhe von fast 357 Mio. Dosen), 3,5 Mrd. US-Dollar auf Spenden von Dosen, die speziell für Entwicklungsländer gekauft wurden, und 0,5 Mrd. US-Dollar auf Nebenkosten.
Im Ländervergleich ist festzustellen, dass nur folgende Länder das international vereinbarte Ziel von 0,7% des nationalen BNE erreicht oder übertroffen haben: Dänemark (0,70%), Deutschland (0,74%), Luxemburg (0,99%), Norwegen (0,93%) und Schweden (0,92%). Viele Geberländer außerhalb des OECD DAC haben eine lange Tradition in der Entwicklungszusammenarbeit. Unter ihnen übertraf beispielsweise die Türkei nach den vorläufigen Zahlen für 2021, mit 0,95% das ODA/BNE-Ziel von 0,7%.
In absoluten Zahlen zeigen die vorläufigen ODA Daten, dass die öffentliche Entwicklungshilfe für die neunzehn DAC-Mitgliedstaaten der EU im Vergleich zu 2020 um 4,2 % (81,3 Milliarden US-Dollar ) gestiegen ist. Die vorläufigen ODA Leistungen der Europäischen Union liegen trotz allem nur bei 0,49% des gemeinsamen BNE und bleiben unverändert im Vergleich zum Vorjahr. Laut des europäischen Dachverbands für entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen CONCORD liegt die ODA Quote immer noch weit unter dem ODA-Ziel von 0,7 % – und das ist besonders alarmierend in einem Jahr, in dem die Auswirkungen der weltweiten Pandemie die jahrzehntelangen Fortschritte bei den meisten Indikatoren der Agenda 2030 sowie der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung wieder zunichtemachen.
1 Die vorläufigen Zahlen werden im April veröffentlicht, diese werden bis Ende des Jahres noch finalisiert und upgedatet auf der OECD DAC Statistik Webseite veröffentlicht.
2 OECD DAC Presseaussendung: https://www.oecd.org/dac/covid-19-assistance-to-developing-countries-lifts-foreign-aid-in-2021-oecd.htm
3 Das Grant Equivalent dient dazu, Zuschüsse und Kredite vergleichbarer zu machen. Es beschreibt bei einem Kredit eine auf dem Gegenwartswert basierende Schätzung des über die Gesamtlaufzeit des Kredites kumulierten Geschenkanteils zum Zeitpunkt der Kreditauszahlung. Zitiert aus ADA ODA Bericht 2019. Siehe hier zur Erläuterung des Konzeptes des Grant Equivalent.
4 Statement der DAC-CSO Reference Group zu den vorläufigen ODA-Zahlen 2021: https://www.globaleverantwortung.at/it-is-time-to-invest-more-in-humanitarian-assistance-development-and-peace-a-cso-statement-on-oda-at-the-time-of-the-ukraine-crisis/
5 Statement von CONCORD zu den vorläufigen ODA-Zahlen 2021: https://www.globaleverantwortung.at/corcord-stellungnahme-vorlaeufige-oda-zahlen-2021/