Laurence Chandy verweist in seinem Artikel: New in Town: A Look at the Role of Emerging Donors in an Evolving Aid System, auf die Herausforderungen, die sich vor allem bei der Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards ergeben. Sie sind von großer Bedeutung, wenn es um den Schutz der lokalen Bevölkerung vor negativen Auswirkungen der von multilateralen Entwicklungsbanken finanzierten Projekte geht.

Solche Normen und Verpflichtungen – auch Safeguards genannt – bezeichnen eine Reihe an Vorschriften, welche den rechtlichen Rahmen für die Kreditvergabe von multilateralen Entwicklungsbanken regeln. Vor allem die Weltbank entwickelte eine Reihe an verbindlichen Safeguards, die bei der Vergabe von Krediten an Entwicklungsländer bestimmte Umwelt- und Sozialstandards festlegen und richtungsweisend sind.

Entstehungshintergrund neuer multilateraler Entwicklungsbanken

Es lassen sich vier Trends rund um die Gründung neuer multilateraler Entwicklungsbanken ausfindig machen:
 

  • Sogenannte Entwicklungsländer und vor allem aufstrebende Schwellenländer wie die BRICS gründen vermehrt multilaterale Entwicklungsbanken, um marktbasierte öffentliche und private Dienstleistungen und Projekte zu finanzieren.
  • EmpfängerInnen wählen zunehmend Kreditoptionen, die weniger an Konditionalitäten wie Good Governance, Demokratisierung, Menschenrechte und Umweltstandards gebunden sind. Neue GeberInnen bieten vermehrt Kredite ohne derlei Konditionalitäten an.
  • Schwellenländer streben Unabhängigkeit von den westlichen Finanzinstitutionen an. Ihr Ziel: Eine Kreditbeziehung auf Augenhöhe durch verstärkte Süd-Süd-Kooperationen.
  • Das Stimmrecht in den etablierten westlichen Finanzinstitutionen spiegelt nicht die aktuellen ökonomischen Entwicklungen wider. So erhält z.B. Brasilien – bei etwa gleich großer Wirtschaftskraft wie Frankreich – nur ein Drittel des französischen Stimmrechts im IWF. Dieser Ungleichheit soll durch die Etablierung neuer Banken Abhilfe geleistet werden.

Siehe Humphrey et. al. 2015 & Shablitzki 2014 & Reisen 2015

Neue GeberInnen: Die Asian Infrastructure Investment Bank und die New Development Bank

Mit der Gründung der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) mit Sitz in Peking, deren größter Anteilnehmer China ist (mit 26,06% des Stimmrechts), sowie der New Development Bank – auch BRICS Bank genannt – werden die sich verändernden Strukturen des multilateralen Finanzsystems und die oben genannten Tendenzen unterstrichen.

Österreich zählt, wie viele andere europäische Länder, zu den Gründungsmitgliedern der AIIB (0,5% des Gesamtkapitals). Das Interesse der europäischen Länder an einer Mitgliedschaft bei der AIIB beruht vor allem auf den Bemühungen, die wirtschaftlichen Beziehungen zu China als auch zum restlichen asiatischen Raum zu stärken. So steht auch Österreichs Mitgliedschaft in Übereinstimmung mit dem Ziel der Bundesregierung, strategische Partnerschaften zu aufstrebenden Wirtschaftsnationen zu stärken (derStandard). Laut der Articles of Agreement der AIIB liegt ihr Fokus auf der Finanzierung von Infrastrukturprojekten. Dies inkludiert vor allem den Energiesektor, das Transport- und Telekommunikationswesen sowie Entwicklungsmaßnahmen zur Förderung ländlicher Infrastrukturprojekte und des landwirtschaftlichen Sektors. Regional liegt der Fokus der AIIB in Asien.

Während die AIIB ihre Arbeit am 16.01.2016 aufnahm, gilt dies bei der NDB noch abzuwarten. Gründungsmitglieder der NDB sind die sogenannten BRICS-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Ihr Sitz ist in Shanghai, wobei allen Gründungsmitgliedern das gleiche Stimmrecht zukommt. Ziel der NDB ist es laut ihrer Articles of Agreement, zusätzliche Ressourcen für Infrastrukturprojekte und nachhaltige Entwicklung in den BRICS-Staaten und anderen wirtschaftlich aufstrebenden Nationen zu mobilisieren. Bis dato sind jedoch sehr wenig bis keine Informationen über die geplanten Strukturen und Betriebsrichtlinien der NDB bekannt. Die generelle Intransparenz der NDB wurde von der Coalition for Human Rights in Development in einem offenen Brief an die NDB kritisiert.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer von den von AIIB und NDB finanzierten Infrastrukturprojekten profitiert und wie mit damit womöglich einhergehenden Landenteignungen und -umsiedlungen umgegangen wird, die die Lebensgrundlage vieler Menschen bedrohen könnte? Die AIIB arbeitet diesbezüglich an einem Entwurf zu ihren Umwelt- und Sozialstandards (Die AG Globale Verantwortung schrieb zum Entwurf gemeinsam mit der KOO eine Stellungnahme), bei der NDB gilt es noch keinen Entwurf.

Schwächere Umwelt- und Sozialstandards befürchtet

Durch neue multilaterale Finanzinstitutionen ergeben sich neben den Vorteilen, wie zusätzliche Ressourcen, alternative AnbieterInnen bei der Kreditvergabe für Empfängerländer und somit einer Diversifikation der Angebote, auch Herausforderungen, denen die internationale Gemeinschaft gegenüber steht.

In einem Brief, den rund 60 zivilgesellschaftliche Organisationen und Bündnisse unterzeichneten und an den Präsidenten der AIIB schickten, formuliert das NGO Forum on ADB die Sorge, dass neue GeberInnen Gefahr laufen würden, die internationalen Bemühungen und Normen bezüglich der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards bei Kreditvergaben zu untergraben. Weitere Beiträge dazu: Qin 2016 & Vinod 2016

Aber nicht nur neue GeberInnen stellen uns vor Herausforderungen, auch die Weltbank verändert ihre Sozial- und Umweltstandards (Die AG Globale Verantwortung nahm im Dezember 2014 an einer mündlichen Konsultation zum ersten Entwurf teil). Im August 2015 veröffentlichte sie den zweiten Entwurf der rerfomierten Safeguards. Viele NGOs befürchten eine Schwächung. Human Rights Watch publizierte in diesem Zusammenhang einen Artikel, in dem VertreterInnen zivilgesellschaftlicher Organisationen auf die Missstände des neuen Entwurfs hinweisen. So könnten in Zukunft großangelegte Bau- und Infrastrukturprojekte, die Umsiedlungen der lokalen Bevölkerung beinhalten, bewilligt werden, bevor menschenrechtskonforme Umsiedlungspläne und deren Finanzierung sichergestellt sind. Auch würde sich die Weltbank nun vermehrt auf Standards der Empfängerländer verlassen, die aber in vielen Fällen zu schwach seien und deren Umsetzung nicht sichergestellt sei.

Das Bank Information Center stellt diesbezüglich eine Reihe an Reaktionen (Stellungnahmen, Analysen, offene Briefe) zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Verfügung.

Conclusio

Die Etablierung neuer Entwicklungsbanken bildet ein Gegengewicht zum bisher westlich dominierten Bankensystem in der Entwicklungspolitik. Durch schwächere Umwelt-und Sozialstandards, wie sie von der Weltbank in ihrem zweiten Entwurf vorgeschlagen werden und wie sie auch bei der AIIB befürchtet werden, ergeben sich unmittelbare Risiken für die Bevölkerung, die von Projekten jener Banken betroffen sind. Der erwartete Anstieg an großangelegten Infrastrukturprojekten in Asien durch die AIIB und die NDB und die erwartete Zunahme an Finanzierungen von Transport, Energie, Stadtentwicklung etc. kann zu wirtschaftlichem Wachstum führen. Ohne verbindliche Standards und angemessene Kontrollmechanismen können derlei Projekte aber enorme negative Auswirkungen für die lokale Bevölkerung haben – großräumige Landenteignungen, Entwaldung, Umsiedelungen, Luftverschmutzung – und zu Verletzungen von Menschenrechten führen.

Weiterführende Links und Publikationen:

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (2015): Financing Global Development: The BRICS New Development Bank.

Faure, Raphaelle; Prizzon, Annalisa; Rogerson, Andrew (2015). Multilateral development bank: a short guide. In: ODI. Working and discussion papers.

Oxfam (2014): The BRICS Development Bank. Why the world’s newest global bank must adopt a pro-poor agenda.

Wolff, Peter (2015): Zu viel Wirbel um Chinas neue Entwicklungsbank.

AG Globale Verantwortung und KOO (2015): Consultations on Draft Environmental and Social Framework of the Asian Infrastructure Investment Bank – Written Comment.

(eb)