Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
(04.05.2011) Ach, wär man sich doch so einig, wenn es um die Einhaltung der ODA-Quote geht! So geben manche europäischen Staaten, Österreich vorneweg, alle Jahre wieder eine traurige Performance in Sachen EZA-Zahlungen ab, während andere reüssieren. Dieser Trend zeichnet sich aber in ganz Europa ab: Die Idee vom Wirtschaftswachstum als Heilsbringer findet wieder zunehmend AnhängerInnen!
Österreich wägt wirtschaftspolitische Interessen in der OEZA-Schwerpunktregion Schwarzmeerraum ab, England will „value for money“ und sieht darin die Begründung für mehr Involvierung der heimischen Wirtschaft, EU-Kommissar Piebalgs preist „inclusive growth“ ohne genaue Vorstellung von „inclusive“, dafür umso konkreteren Maßnahmen für „growth“ als Lösung für das Leid der Welt. Und bei all dem fragt man sich: ‚Gab’s das nicht schon mal?‘
CIDSE-Studie über EU-EZA in Lateinamerika
Die aktuelle CIDSE-Studie (et al.) fragt sich im Hinblick auf die künftige EU-EZA in Lateinamerika, auf die sie ein Auge wirft, noch mehr: In Support of people or business? und liefert auch gleich die beunruhigende Antwort. Die Zukunft der europäischen EZA in Lateinamerika soll u.a. laut Grünbuch insbesondere auf den Ausbau der Handelsbeziehungen fokussieren. Dabei wird die Latin American Investment Facility (LAIF) eine relevante Größe darstellen. Was wohl bedeuten wird, dass großangelegte Infrastrukturprojekte gefördert werden, die vornehmlich dem Privatsektor zugute kommen.
Auch die als Rahmenbedinung für inclusive growth beschriebene social cohesion (= gesellschaftlicher Zusammenhalt) existiert nur als vages Konzept, ohne jede konkrete Vorstellung von den Zusammenhängen zwischen Armut, sozialer Kohäsion und Wirtschaft. Die Bandbreite an Programmen, die unter dem Titel social cohesion in Lateinamerika umgesetzt werden, ist zudem so breit, dass nicht nur jede seriöse Analyse über Wirkung und Sinnhaftigkeit verunmöglicht wird. Der EU erwächst daraus auch Spielraum, der für die Umsetzung jeglicher politischer Interessen auch jener, die außerhalb der EZA liegen , genutzt werden kann.
Fokus auf Armutsbekämpfung?
Der Fokus auf Armutsbekämpfung kann da schon mal verloren gehen, fürchten NRO. Ein Risiko, das auch eine weitere Idee von Entwicklungskommissar Piebalgs mit sich bringen könnte: Die geplante Kategorisierung der Länder, die dazu dient, Armutsbekämpfung lediglich where needed zu fokussieren, während anderswo EU-Interessen als Motor für eine erneuerte länderübergreifende Zusammenarbeit im Mittelpunkt stehen könnten freilich alles im Rahmen der offiziell anrechenbaren ODA. Das hätte besonders für die lokale Bevölkerung in Lateinamerika unangenehme Folgen.
Wer denkt, die universalen Ziele der EZA, Armutsbekämpfung und Menschenrechte, seien damit vollends passè, irrt. Die EU hebt sie im Grünbuch mehrmals hervor, allerdings als wichtige Faktoren für die Schaffung einer wachstumsfreundlichen Umgebung. Damit verabsäumt sie zu erkennen, dass die Fokussierung in die umgekehrte Richtung passieren muss, will man Entwicklung herbei führen.
Der Kreis schließt sich, die Frage bleibt bestehen: ‚Gab’s das nicht schon mal und hat es nicht auch schon damals nichts gebracht?‘ Die Antwort darauf ist heute klar zu beantworten: Selbst UN und Weltbank konnten nicht belegen, dass es einen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und menschlicher Entwicklung (im Sinne des HDI – Human Development Index) gibt. Es sei denn freilich, man versteht die Förderung der heimischen Wirtschaft als ein Instrument für die Bekämpfung von Armut. Und nicht umgekehrt.